Toechter der Dunkelheit
leicht kindlich gerundete Gesicht des Mädchens, das sich über ihn beugte. Im Licht dieses Lächelns wurden die Raubtieraugen sanft, schimmerten eher grün als leuchtend gelb, beinahe menschlich. Trotz der Kraft, mit der Inani ihm aufzustehen half, ließ sich ihre Jugend nicht verleugnen. Sie war mehrere Jahre jünger als er selbst und ein ganzes Stück kleiner.
„Nicht, es war meine Unachtsamkeit“, murmelte Thamar höflich.
„Dann sagen wir, es war unsere gemeinsame Schuld?“ Das Mädchen lachte und enthüllte dabei vollkommen menschlich geformte Zähne. Thamar neigte den Kopf, konnte sich aber von dem Anblick der jungen Hexe noch nicht lösen. Erst, als Alanée hüstelte, wurde ihm klar, dass sie ihn genauso voller unhöflicher Neugier anstarrte wie er sie. Schuldbewusst zuckten sie beide zusammen. Thamar trat rasch zur Seite, Inani verschwand wie ein Wirbelwind. Erst jetzt bemerkte er, dass Kythara, mehrere andere Hexen und die beiden Elfen an einem Tisch zusammen saßen und ihn ebenso spöttisch beobachteten wie Alanée neben ihm. Seufzend verneigte er sich vor der Hexenkönigin und murmelte einige traditionelle Worte der Dankbarkeit gegenüber seiner Gastgeberin.
So viel königliche Macht in einem einzigen Raum, das hat wohl die Welt noch nicht gesehen … Und was würde ich darum geben, es auch nicht sehen zu müssen!
„Nehmt doch Platz, mein Prinz. Ich hoffe, Inani hat Euch nicht erschreckt? Sie ist eine ganz normale Hexe. So normal, wie wir eben sein können.“
Thamar nickte mit eingefrorenem Lächeln. Er war zu erschöpft, um den Spott mit diplomatischer Leichtigkeit zu kontern. Rasch suchte er Maondnys abwesenden Blick und war erleichtert, als sie ihm zublinzelte.
„Es war wichtig, der jungen Hexe auf diese Weise noch einmal zu begegnen, es wird dein Leben sehr erleichtern. Sei unbesorgt, du hast das Schlimmste hinter dir. Die Hexen sind von deiner Anwesenheit irritiert, genauer gesagt, von der Tatsache, dass du noch lebst, deshalb sind sie ein wenig gemein zu dir. Das ist so ihre Art, mit allem umzugehen, was sie fürchten oder nicht verstehen. Wobei sie uns gegenüber erstaunlich zurückhaltend sind.“
„Dies alles, verehrter Prinz, ist nicht ganz einfach für uns“, begann Kythara. An der Art, wie sie ihre Worte mit Bedacht wählte, konnte Thamar spüren, dass Maondny Recht hatte. Gut zu wissen, dass nicht nur er mit dieser Situation überfordert war!
„Es ist natürlich nicht das erste Mal, dass wir Gäste in unser Reich einlassen, aber noch nie zuvor war jemand fähig, aus eigener Kraft zu uns vorzudringen. Die Macht, über die P’Maody … Pi’Ma… – egal! – verfügt, ist mir fremd. Das Volk der Elfen war bislang eine unbekannte Gefahr, der wir aus dem Weg gegangen sind, nichts weiter. Das Bündnis, das Fin Marla mir anbietet, birgt jedoch so viel Vorteile für uns alle, dass ich es auf keinen Fall ablehnen werde.“
„Welche Rolle werde ich in euren Plänen spielen?“, fragte Thamar, weiterhin stoisch lächelnd. Er wusste genau, dass man ihm keine Wahl lassen würde, nachdem er nicht einmal von Anfang an bei den Verhandlungen hatte anwesend sein dürfen.
Nein, ich sollte erschreckende erste Eindrücke sammeln gehen!
„Nun, Ihr könntet irgendwann den Thron von Roen Orm einnehmen. Euer Vater ist zwar seit langem ein kranker Mann, die junge Elfe hat allerdings verkündet, dass er erst im Laufe der nächsten sechs Jahre sterben wird.“
„Sechs bis neun Jahre, Kythara, abhängig von mehreren Faktoren, die zu unterschiedlichen Zukunftsentwicklungen führen“, murmelte Maondny geistesabwesend.
„Wie auch immer. Ihr seht, es bleibt Euch, und damit auch uns, noch genügend Zeit, um alle weiteren Schritte zu planen und Euch vorzubereiten.“
„Auf meine Rolle als königliche Marionette?“ Offen erwiderte er den Blick aus kalten schwarzen Augen, mit dem Kythara ihn maß.
„Keineswegs. Ein schwacher König überlebt in Roen Orm nicht einmal seine eigene Krönungsfeier. Ich muss mich um mein
eigenes Reich kümmern, sowie um unzählige Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die ich Euch nicht zu erklären brauche. Es ist nicht meine Absicht, die heimliche Herrscherin Roen Orms zu werden, genauso wenig, wie ich Euch zerbrechen und zu meinem Sklaven machen will. Ein willenloser Befehlsempfänger auf dem wichtigsten Thron dieser Welt wäre Gift für das Gleichgewicht der Kräfte, das wir Hexen anstreben. Übrigens verdankt Ihr es uns, dass die Suche Eures Bruders wenig
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