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Toechter der Dunkelheit

Toechter der Dunkelheit

Titel: Toechter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
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unsichtbaren Schutzwall fallen und stieß ihn auf die andere Seite. Kelan blickte der Kreatur nach, die blitzschnell im Schatten des Waldes verschwand und erschauderte: Zu sehr erinnerte es an einen Orn mit Bärenpelz.
    Niemand hatte bemerkt, dass er fort gewesen war, niemand hatte ihn vermisst. Dafür war es zu ruhig, sie würden ihn sonst suchen.
    Was sollte er jetzt tun? Auf ein Wunder hoffen? Sein kleines Mädchen töten und warten, ob Osmege sein Wort hielt? Oder alle, die hier lebten, zu einem grausamen Tod verdammen?
    Weinend hockte Kelan am Boden, das Gesicht in den Händen verborgen.
    Ich kann das nicht …
     

21.
     
    „Es ist wahr: Jugend und Alter sprechen nicht die gleiche Sprache. Mehr noch, sie scheinen nicht einmal die gleiche Welt zu bewohnen. Das war schon immer so und wird immer so bleiben.“
    Inschrift über dem Torbogen zur „Halle des Wissens“, Roen Orm
     
     
    Inani kämpfte seit zwei Tagen mit sich, doch es half nichts. Sie musste mit ihrer Mutter reden. Keiner anderen Hexe wagte sie diese Frage zu stellen, deren Antwort sie so dringend brauchte. Also fasste sie sich abends ein Herz und betrat den Wohnraum, in dem Shora am Feuer saß und in einer Schriftrolle las, während ihr Vertrauter, ein junger Wildkater, zu ihren Füßen lag und schlief. Ihre eigenen Vertrauten hatte Inani in den Wald geschickt. Diesen Weg musste sie allein gehen. Wenn es bloß nicht so schwierig wäre!
     
    Shora hatte die Nähe ihrer Tochter längst gespürt und wartete geduldig, dass Inani endlich näher kam. Warum wollte das Mädchen nicht einsehen, dass Shora sie liebte? Dass sie alles tun würde, um Inani beizustehen? Dass alles, was sie bereits getan hatte, nur zu Inanis Besten geschehen war?
    „Mutter?“ Inani trat langsam näher, blieb in der Mitte des Raumes stehen, das Gesicht verzagt, der Blick gesenkt.
    Der unsichtbare Dolch in Shoras Herz wurde gewaltsam herumgedreht, oder zumindest fühlte es sich so an. Ihre geliebte Tochter wagte nicht, sie anzusehen. Sie wartete, zwang sich zur Geduld.
    „Mutter, ich habe eine schwierige Frage“, begann Inani schließlich und wischte sich das wirre rote Haar aus der Stirn. Shora zuckte zusammen – tatsächlich, Inanis Locken waren rot, ihre Augen menschlich. Ob sie vielleicht zurückgekehrt war, sich endlich von ihren Gefährten getrennt hatte?
    „Du weißt, du kannst mich alles fragen“, erwiderte Shora so gelassen wie möglich.
    „Gibt es eine Möglichkeit – ich meine, wenn eine Hexe nicht als Mutter geeignet zu sein scheint, kann ihre Tochter sich dann von ihr lossagen? Hat es so etwas schon einmal gegeben, ich meine, nicht jede Hexe ist für eine solche Verantwortung ... und es sind ja keine Blutsbande ...“ Inanis Worte versickerten zu einem kaum noch hörbaren Flüstern, ihr Körper spannte sich fluchtbereit, als würde sie einen schweren Wutanfall fürchten.
    Shora presste die Augen fest zusammen. Das konnte, das durfte nicht sein!
    Ich darf sie nicht verlieren!, dachte sie, von kaltem Grauen erschüttert. Doch sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Sie musste diese Frage beantworten, sie musste Inani zeigen, dass sie ihr vertrauen konnte. Es war bislang nur eine Frage, keine Forderung.
    „Ja, es ist möglich“, erwiderte Shora, überrascht, wie fest ihre Stimme klang. „Es ist schon einige Male geschehen, entweder, weil die Mütter unfähig waren, sich um die betroffenen Mädchen zu kümmern, oder weil die Kinder zu einer anderen Hexe gegeben werden wollten, aus welchem Grund auch immer. Wenn Mutter und Tochter sich nicht einig sind und im Einverständnis die Bande lösen können, muss der Fall von der Königin entschieden werden.“
    „Danke, so hatte ich es mir gedacht.“ Shora suchte in Inanis Gesicht nach einem Hinweis, was diese Frage bedeuten könnte, doch das Mädchen wandte sich bereits um und verließ den Raum.
    „Neorr, ich darf sie nicht verlieren!“, dachte Shora und umklammerte ihren Vertrauten.
    „Sie ist keine Katze mehr. Sie fürchtet sich.“
    „Ja, aber was fürchtet sie? Mich?“
    Doch der Kater wusste es nicht und fauchte nur leise.
     
    ~*~
     
    Thamar schrieb konzentriert im Schein der großen Tischlaterne. Kythara unterrichtete ihn in Politik und Geschichtswissen und hatte ihm eine Schriftrolle über die Gesetze des Fürstentums Dror gegeben. Seine Aufgabe bestand darin, sie abzuschreiben und dabei auswendig zu lernen, was erstaunlicherweise weniger mühsam und langweilig als befürchtet war. Schon seit ewigen Zeiten

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