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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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Jurgy werde vor Zorn platzen, als wir nach Hause fuhren. Mitnichten. Sie sagte nur mit einer Art anerkennendem Grunzen: »Die ist wirklich ein hartes kleines Biest.«
    Ich sagte: »Ja, das ist sie.«
    Wir flogen unsere übliche Strecke bis ein paar Tage vor diesem Charterflug. In der letzten Woche hatte Jurgy eine abscheuliche Laune, und es verblüffte mich. Ich kam einfach nicht dahinter, was in ihrem Kopf vorging. Luke war frühzeitig zu der Tagung hergekommen, weil er so viele Vorbereitungen zu treffen hatte; er wohnte wie üblich im Charleroi, und sie verbrachte viel Zeit mit ihm dort. Es machte mir nichts aus: denn ich bin gern allein; ich konnte lesen, Musik hören und mich wirklich ausruhen. Die einzige Schwierigkeit war ihr seltsames Benehmen, wenn sie nach einer Verabredung mit Luke zurückkam. Sie war einfach unmöglich. Mal war sie munter wie ein Fisch, dann wieder saß sie brütend im Wohnzimmer oder war entsetzlich feindselig.
    Am Nachmittag vor dem Flug wurden wir zum Flughafen bestellt zu einer Besprechung mit Mister Barker und einem geplagten kleinen Mann namens Casey, der verantwortlich war für die Vorräte an Nahrungsmitteln und Getränken auf diesem Flug, und den beiden Senior-Stewardessen, mit denen wir Zusammenarbeiten würden. Es waren zwei Brünette, etwa sechsundzwanzig Jahre alt, und sie musterten Jurgy und mich auf eine sonderbar amüsierte Weise, als hätte man uns eben aus dem Kindergarten entlassen. Sie hießen Kay Taylor und Janyce Hinds, und wie ich später hörte, flogen sie beide schon seit gut fünf Jahren.
    Jurgy und ich hatten einfach nur zuzuhören. Die Besprechung fand ausschließlich zwischen Mister Barker und Mister Casey einerseits statt und Kay und Janyce andererseits, und sie schien sich in der Hauptsache um Eiswürfel zu drehen. Kay sagte: »Mister Casey, wir brauchen mindestens das Dreifache der üblichen Menge an Eiswürfeln. Ich habe früher schon Charterflüge mit solchen Burschen wie diesen Viehzüchtern mitgemacht, und sie trinken!«
    »Bruder«, sagte Janyce, »und wie!« Als Hauptmahlzeit war Filet mignon mit Pommes frites vorgesehen, aber das schien unwichtig zu sein. Mister Casey stöhnte und Janyce sagte: »Und füllen Sie ein paar alte Benzinkanister mit Bourbon, Mister Casey. Sie können sie unter den Tragflächen anschnallen.« Mister Casey sagte: »Sie werden soviel Bourbon und Scotch an Bord haben, daß Sie ein Schlachtschiff versenken könnten.« Kay sagte ohne zu zögern: »Verdoppeln Sie diese Menge, Mister Casey. Wir werden so viel brauchen, daß wir zwei Schlachtschiffe versenken könnten.«
    Jurgy und ich lauschten ehrfurchtsvoll. Sie waren erstaunlich, diese Mädchen, hübsch, freundlich und dennoch hart wie Türnägel und hundertprozentig selbstsicher. Als die Besprechung zu Ende war, sagte Kay zu Jurgy und mir: »Kinder, macht euch chic morgen, ja? Die sollen umfallen, diese Viehzüchter. Vielleicht kaufen sie jeder von uns, wenn wir erst in Paris sind, ein Brillant-Diadem oder ein Glas Milch oder so was. Und, wartet mal, wir starten um neun Uhr. Seid also pünktlich um acht Uhr hier, nicht eine Minute später. Wir wollen die Maschine ausstatten, und zwar gut. Okay?« Î
    »Okay«, sagten wir.
    Am Abend war ich wieder allein in der Wohnung, ich fand es großartig, weil ich meine ganze Bügelei für den Flug am nächsten Morgen ohne wilde Hetze erledigen und Musik dazu spielen lassen konnte. Das durfte ich nie, wenn Jurgy zu Hause war. Musik machte sie rasend. Ich konnte daher das Hi-Fi-Gerät nur anstellen, wenn ich allein war, und das bereitete mir die größte Freude. Jurgy war im Charleroi, diesmal zu einer Gesellschaft der Viehzüchter im Kaiserinnensaal, womit sie ihre dreitägige Sitzung krönten. Man hatte mich auch eingeladen, aber ich war nicht hingegangen, einmal, weil ich noch so vieles zu Hause zu erledigen hatte, und zum anderen, weil ich ohnehin vier Tage lang mit allen siebzig Zusammensein würde, und man soll nichts übertreiben.
    Um halb zehn etwa schrillte das Telefon. Es ließ mein Herz nicht holterdipolter schlagen — es läutete oft genug. Bekannte, mit denen ich ausgegangen war, Freundinnen aus der Schule, Freunde, die wir gewonnen hatten, seit wir flogen — sie alle riefen unentwegt an. Also stellte ich den Mozart, den ich gerade spielte, leise, nahm den Hörer auf und sagte: »Hallo«, wobei ich beiläufig überlegte, wer da wohl anrufen könne.
    »Hallo, Carol?«
    Und schon zitterte ich wie Espenlaub, allein bei dem Klang

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