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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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dort keine Donna Stewart; dann sahen sie ihre Anmeldungen durch und fanden heraus, daß sie vor ein paar Monaten ausgezogen war, ohne eine neue Adresse zu hinterlassen. Es klang, als wären sie nicht gut auf sie zu sprechen; ich hätte weinen mögen.
    Ich hatte, wie es schien, meine Anziehungskraft auf Bob nicht verloren. Er fragte, ob er mich wiedersehen könne, und ich sagte ohne Begeisterung: »Später vielleicht mal.« Etwas Sonderbares geschah mit der Welt, wenn man sie von dort sah, wo ich stand: die Männer wurden jünger und jünger, und ich wurde älter und älter; es schien unmöglich zu sein, einem Mann meines Alters zu begegnen. Bob war ganz entschieden zu jung, vor allem dann, wenn er anfing, über Literatur zu schwatzen. Aber im großen und ganzen hatte ich meinen Spaß, und ich konnte mir irgendeinen anderen Beruf für mich überhaupt nicht mehr vorstellen. Mein einziger Kummer war diese Abwesenheit männlicher Wesen, den ich in ein paar Worten zusammenfassen konnte: die Abwesenheit Ray Duers; und ich dachte, die Zeit werde das wohl heilen. Vielleicht.

    Anfang April — seit gut vier Monaten flogen wir auf Düsenmaschinen — begann mir aufzufallen, daß Jurgy sich seltsam benahm. Nichts Beunruhigendes. Es war nur, sie fiel zu ungewöhnlichen Zeiten in Trance. Zum Beispiel saß sie um elf Uhr vormittags im Wohnzimmer und trank eine Tasse Kaffee, und plötzlich, die Tasse auf halbem Wege zum Mund, erstarrte sie, bekam glasige Augen und befand sich irgendwo auf der Rückseite des Mondes. Ich beobachtete dieses seltsame Verhalten ein paar Tage lang, und dann dämmerte mir die Antwort. April. Natürlich! Der Frühling. Wieso hatte ich nicht gleich daran gedacht! Aber in Florida merkt man nicht sonderlich, daß der Winter geht und der Frühling kommt, es gibt dort keine jungen Knospen, die an den kahlen Ästen sprießen — alles und jedes sprießt wie toll, tagein tagaus, das ganze Jahr hindurch.
    Das also war es, so sagte ich zu mir selber, was Jurgy zu schaffen machte. Florida hin, Florida her, eine Frau fühlt den Frühling im Blut, sie spürt den unbezähmbaren Drang, ein Nest zu bauen, und so weiter. Und eines Abends, als sie eigentlich einen Knopf an ihre Uniform nähen wollte, statt dessen aber dasaß wie ein ausgestopfter Vogel Strauß, den Mund offen, die Augen glasig, Nadel und Faden mitten in der Luft erstarrt, sagte ich sanft: »Sag mal, Jurgy, warum hörst du nicht auf?«
    Sie fuhr auf aus ihrem Traum und sagte: »Ha?«
    »Warum hörst du nicht auf zu fliegen und heiratest Luke?«
    Sie biß mir fast den Kopf ab. »Warum, zum Teufel, sollte ich?«
    »Weil es an der Zeit ist, darum. Du hast Luke gesagt, daß du sechs Monate lang fliegen willst. Du fliegst jetzt schon seit fünfeinhalb Monaten.«
    »Luke und ich haben es besprochen — wir haben ausgemacht, ich höre im Juni auf, und Anfang August heiraten wir.«
    »Jurgy, ehrlich, seit Tagen schon läufst du herum mit dieser verträumten Miene. Wie ‘ne Mondsüchtige.«
    »So?«
    »Los. Sag’s schon. Wovon träumst du denn dauernd?«
    Sie schürzte die Lippen. »Willst du’s wirklich wissen?«
    »Ich sterbe vor Neugierde.«
    Sie schaute sich im Zimmer um, als wollte sie sehen, ob auch keine russischen Spione da wären. Dann sagte sie: »Von der Jahresversammlung des Nord-Südöstlichen Viehzüchterverbandes.«
    Ich kippte fast aus den Pantinen. »Bitte, sag das noch einmal.«
    »Gern. Aber behalt’s für dich. Ich möchte nicht, daß es sich herumspricht. Die Jahresversammlung des Nord-Südöstlichen Viehzüchterverbandes.«
    »Daß ich nicht lache«, sagte ich. »Wie sollte ich wohl dieses Wortungetüm herumsprechen?«
    Sie starrte mich argwöhnisch an. Offensichtlich hatte ich mich mal wieder als ein ausgemachter Dummkopf erwiesen.
    »Nun?« sagte ich.
    Ihr Ton war eisig. »Sie tagen in diesem Jahr im Charleroi. Am 28. April geht’s los. Es dauert drei Tage.«
    »Jurgy, das ist die aufregendste Neuigkeit, seit Lincolns Hund starb. Ich bin völlig aus dem Häuschen.«
    »Es kommen allein siebzig Abgeordnete. Und Luke ist zufällig Vorsitzender des Vergnügungsausschusses«, fuhr sie mit derselben eisigen Stimme fort.
    »Moment mal«, fragte ich. »Hast du etwa vor, siebzig Viehzüchter hier zu vergnügen?«
    »Nein.«
    »Nun, was sonst zündet all die Sterne in deinen Augen an.«
    Sie antwortete nicht.
    »Jurgy!« sagte ich.
    Und dann, als hätte sie ihre eigene Muffigkeit satt, fing sie an zu lachen. Sie lachte so sehr, daß sie das

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