Töchter der Sechs (German Edition)
Eiren, um neue Lehrlinge für die Insel zu finden. Madia war fest entschlossen, sich ihm vorzustellen. Es gab nur ein Problem: Sie war ein Mädchen und so wie die Priesterinnen nur Frauen ausbildeten, gab es auf Roteha nur Männer.
Sie hatte bereits mit ihrer Mutter Peria darüber gesprochen, aber die sah keine Chance, dass man für Madia eine Ausnahme machen würde, so klug sie auch sein mochte. Deshalb würde Madia versuchen, Peria heute für einen zugegebenermaßen etwas riskanten Plan zu gewinnen: Sie wollte sich als Junge ausgeben. Mit der richtigen Verkleidung würde ihr dies sicher gelingen. Da sie ihre Haare stets kurz trug, war sie schon des Öfteren für einen Jungen gehalten worden. Soweit die wusste, trugen die Gelehrten auf Roteha weite Gewänder, unter denen sie später auch eventuelle weibliche Rundungen verbergen konnte. Sie hatte alles gut durchdacht, nun musste sie nur noch ihre Eltern überzeugen.
Anfangs war Peria keineswegs begeistert von dem Plan ihrer Tochter, als Junge verkleidet nach Roteha zu gehen. Aber das Mädchen hatte auf sie eingeredet, sich über die Ungerechtigkeit beklagt, dass Frauen die Bildung verwehrt wurde. Wenn sie erst einmal zu den klügsten Köpfen des Landes gehörte, würde sie ihre Verkleidung lüften und den Männern somit beweisen, dass Frauen ebenfalls Gelehrte sein konnten. Sie würde damit allen anderen Frauen einen großen Dienst erweisen. Haarklein hatte Madia ihr erklärt, warum ihr Plan glücken würde. Schließlich gab sich Peria geschlagen, denn ihr lag das Glück ihrer Tochter am Herzen. Auch wusste sie, dass Madia versuchen würde, ihren Plan auch ohne ihr Einverständnis umzusetzen. Gerne hätte sie ihre Entscheidung mit Jeven diskutiert, doch dieser war mit seiner Herde unterwegs.
Ihr Herz wurde ihr schwer, wenn sie daran dachte, dass sie ihrer Tochter gerade erlaubt hatte, von ihr fortzugehen. Sie war doch noch so jung. Vielleicht hatte sie Glück und auch der Gelehrte sah dies so. Üblicherweise begann die Lehrzeit erst mit zwölf Jahren.
Nur einige Tage später traf der Gelehrte im nahegelegenen Dorf ein. Glücklicherweise war Jeven am Vortag auf Perias Farm eingetroffen. Zwar hatte er Perias Entscheidung nicht infrage gestellt, aber dennoch fühlte sie sich wohler, dass sie diese mit Madias Vater hatte besprechen können.
Da möglicherweise einer der Dorfbewohner wusste, dass das Kind von Peria und Jeven ein Mädchen war, hatte sich Madia alleine auf den Weg in das Dorf gemacht. Peria hatte ihr zuvor das blonde Haar noch kürzer schneiden müssen und Jungenkleidung genäht. Sie hatten verabredet, dass Madia den Gelehrten auf die Farm einladen sollte, wenn dieser sie in die Lehre nehmen wollte.
Peria und Jeven warteten ungeduldig auf die Rückkehr ihres Kindes, dass sich nun Mawen nannte und wie ein Junge aussah.
Ein bißchen mulmig war ihr schon gewesen, als sie sich am Morgen allein auf den Weg in das nächste Dorf gemacht hatte. Aber kaum, dass sie angekommen war und den Gelehrten auf dem Dorfanger entdeckt hatte, wurde sie ganz ruhig. Gedanklich ging sie noch einmal die Worte durch, die sie sich zurechtgelegt hatte. Außerdem rief sie sich ins Gedächtnis, dass sie von nun an Mawen war.
Er ging selbstbewusst auf den Gelehrten zu. Er verneigte sich kurz und blickte ihn mit seinen grauen Augen unverwandt an. Dann hob er zu sprechen an: „Seid gegrüßt. Mein Name ist Mawen und ich möchte mich Euch vorstellen. Ich habe gehört, Ihr sucht Lehrlinge für die Insel Roteha.“
Der Gelehrte nickte. „Seid auch Ihr gegrüßt. Ich bin der Gelehrte Taleb. Wahrlich suche ich nach Lehrlingen. Jedoch muss ich Euch zunächst prüfen, um Eure Eignung festzustellen. Seid Ihr damit einverstanden?“„Aber sicher. Ich bin bereit. Stellt Eure Fragen.“
„Gut, bitte setzt Euch.“ Taleb reichte Mawen ein Buch. „Bitte lest mir daraus vor.“
Mawen schlug das dicke Werk auf und begann, sicher und mit fester Stimme zu lesen. Er las mehrere Seiten, dann hieß der Gelehrte ihn, aufzuhören und das Gelesene mit eigenen Worten zusammenzufassen. Auch diese Aufgabe meisterte er ohne Probleme. Danach testete der Gelehrte sein Allgemeinwissen und seine mathematischen Fähigkeiten. Auch über seine Motivation, Gelehrter zu werden, musste Mawen Auskunft geben. Taleb schien mit allen Antworten zufrieden zu sein. „Sind Eure Eltern auch hier?“
„Nein, leider sind sie auf ihrer Farm unabkömmlich. Ich soll Euch jedoch herzlich
Weitere Kostenlose Bücher