Töchter der Sechs (German Edition)
scheinbar mühelos durch das Wasser glitten. Obgleich sie auch die handwerkliche Arbeit ihrer Mutter bewunderte, so wollte sie doch lieber lernen, wie man diese Wunderwerke der Technik baute. Das Handwerk des Kunstschmiedes konnte auch einer ihrer beiden Brüder erlernen, um später den Familienbetrieb zu übernehmen.Noch einmal umarmte sie ihren Vater. „Danke. Ich verspreche dir, ich werde die allerbesten Schiffe bauen. Mit denen werden deine Waren noch schneller und sicherer ans Ziel kommen.“
„Darija, heb dir deinen Enthusiasmus für deine Arbeit auf. Ich habe deinem zukünftigen Meister nämlich versprochen, dass du der beste Lehrling wirst, den er je hatte.“
„Aber wann darf ich anfangen?“
„Du wirst dich noch ein paar Tage gedulden müssen, deine Lehrzeit beginnt im neuen Jahr. Bis dahin, sei so gut, und hilf deiner Mutter. Sie kann bestimmt Hilfe in der Küche gebrauchen. Ich habe nämlich großen Hunger.“
Schnell lief Darija in die Küche, weniger um ihrer Mutter zur Hand zu gehen, sondern vielmehr, um ihr die großartigen Neuigkeiten mitzuteilen.
Jahr 3618 Mond 12 Tag 21
Aaran
Während sie Zada das braune Haar zu einem kunstvollen Zopf flocht, fragte sie sie ein letztes Mal, ob sie sich wirklich sicher war, dass sie dieses Leben wählen wollte. Wie jeder Anwärterin stand es Zada frei, vor der Weihe noch aus dem Tempel auszutreten. Da ihr Zada auch persönlich nahestand, hatte sie sich mit ihr besonders gründlich auseinandergesetzt. Obwohl Yerina sich bemüht hatte, Zada nicht gegenüber den anderen Anwärterinnen zu bevorzugen, so war die Ziehtochter von Galica und Tharet stets ihr persönlicher Schützling gewesen. Daher lag es ihr am Herzen, dass Zada keine Entscheidung traf, die sie später bereuen würde. Yerina wusste allzu gut, worauf eine Priesterin verzichten musste. Niemals würde sie eine Familie gründen, das Glück des Mutterseins erfahren. Auch wenn Yerina nie bedauert hatte, Priesterin geworden zu sein, so hatte sie das Familienleben von Tharet, Galica und Zada doch bisweilen mit Wehmut betrachtet. Auch das Glück, das sie aus dem Briefen von Carlynn und Aden sowie Peria und Jeven herausgelesen hatte, hatte ihre manchmal einen leichten Stich versetzt.
Zada aber versicherte ihr, dass sie sich sicher war: Sie wollte Priesterin werden. Yerina hatte die Gewissheit, dass die junge Frau eine gute Priesterin werden würde.
Nachdem Yerina gegangen war, kleidete sich Zada ein letztes Mal in das graue Gewand einer Anwärterin. In der abendlichen Zeremonie würde sie die weißen Gewänder einer Priesterin erhalten. Im Anschluss würde sie das erstes Mal als vollwertiges Mitglied der Priesterinnenschaft am Ritual der Wintersonnenwende teilnehmen. Entgegen ihrer Erwartungen war sie keineswegs aufgeregt oder unsicher, sie fühlte eine große innere Ruhe. Gemessenen Schrittes machte sie sich auf den Weg zum Tempel. Sie betrat ihn durch die rückwärtige Tür. Die Vorbereitungen für den Abend waren abgeschlossen und momentan hielt sich noch niemand im Tempel auf. Zada kniete nieder und begann zu beten. Sie bat die Götter um ihren Segen für die bevorstehende Weihe und ihr Wirken als Priesterin.
Auch bat sie darum, sie möge die Kraft haben, die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Sie war sich bewusst, dass das Amt der Priesterin ein verantwortungsvolles war. Ihre Aufgabe würde es sein, die Gläubigen zu einem Leben anzuleiten, welches ihnen das Wohlwollen der Götter einbrachte. Seit die Sechs die Welt gerettet hatten, hatte Yerina unablässig daran gearbeitet, ein neues Bild von den Göttern zu verbreiten. Zuvor waren die Götter als Schöpfer der Welt verehrt worden, die jedoch keine oder nur wenig Macht über das Leben hatten. Die Sechs aber hatten am eigenen Leib erfahren, dass die Götter nicht nur stille Beobachter waren, sondern fähig und willig waren, schlechtes Verhalten zu bestrafen und gutes zu belohnen. Daher waren die Lehren des Tempels nun viel mehr auf das tägliche Leben ausgerichtet. Immer wieder betonte Oberpriesterin Yerina, dass jeder mit einem achtsamen Leben mehr Gunst bei den Göttern erwerben konnte als mit regelmäßigen Besuchen im Tempel. Ein jeder sollte seinen Mitmenschen mit Güte und Liebe begegnen, die Natur schützen und von jeder Art von Gewalt Abstand nehmen. Die Regeln hatten anfangs eine radikale Neuerung dargestellt und nicht alle Menschen waren damit einverstanden gewesen. Einige hatten es als unangemessene
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