Toechter Der Suende
von uns das Leben kosten, und das will ich jedem hier ersparen. Aber seht mal! Da drüben ist ein guter Platz zum Lagern. Es ist noch hell genug, um Holz für die Feuer zu suchen, und der Bach liefert uns Wasser!«
Jossi folgte Maries Fingerzeig und atmete auf. »Der Platz ist nahe genug an der Straße, dass wir morgen früh rasch weiterkommen. Wie lange, glaubt Ihr, wird es dauern, bis wir Hilfe erhalten?«
»Wenn Gott mit uns ist, im Lauf des morgigen Tages.«
»Dann sollte er mit uns sein, dann ich schätze, dass Reckendorf uns spätestens morgen Abend gefunden haben wird.« Trotz der kritischen Situation versuchte Jossi, nicht allzu besorgt zu klingen. »Wir werden morgen eine hübsche Strecke zurücklegen und sollten dabei versuchen, unsere Verfolger in die Irre zu führen. Wenn es nicht anders geht, müssen diejenigen von uns, die zu erschöpft sind, und auch die meisten Frauen sich im Wald verbergen, während wir anderen weiterziehen und Reckendorfs Leute hinter uns herlocken. Irgendwo finden wir schon eine Stelle, an der wir ihnen eine Nase drehen können.«
»Die finden wir gewiss«, stimmte Marie ihm zu, betete innerlich aber zu allen Heiligen, dass ihre Schwiegersöhne früh genug erscheinen würden. Dann wandte sie sich wieder an Jossi. »Morgen früh brechen wir auf, sobald es hell wird!«
»Das werden wir. Wer auf der Flucht ist, sollte nicht lange verweilen!«
Marie ahnte, dass der Prinzipal sich schon öfter in einer ähnlichen Situation befunden hatte, und rechnete es ihm und seinen Leuten doppelt hoch an, ihr geholfen zu haben.
Nach einem einfachen Mahl begaben sie sich zur Ruhe. Marie wickelte ihre Decke auch um Hildegard, die bereits eingeschlafen war und immer wieder leise Schnarchtöne von sich gab. Was musste das Kind gelitten haben, dachte sie und verfluchte Reckendorf aus tiefster Seele. Niemals würde sie zulassen, dass Hildegard oder eine ihrer anderen Töchter noch einmal in die Hand dieses Ehrlosen geriet. Mit diesem Gedanken schlief sie ein und wachte erst wieder auf, als jemand sie an der Schulter berührte.
»Was ist los?«, fragte sie erschrocken, da ein Alptraum in ihr nachhallte, in dem sie alle einschließlich ihres in der Ferne weilenden Sohnes Falko Reckendorfs Gefangene gewesen waren und diesen mit ihren ständig misslingenden Fluchtversuchen zum Lachen gebracht hatten.
»Du musst aufstehen, Mama, wenn du vor dem Aufbruch noch etwas frühstücken willst. Auch Hildegard sollte etwas essen. Sie klappt uns sonst unterwegs zusammen. So weit, sie zu tragen, reicht meine schwesterliche Liebe dann doch nicht!«
Damit brachte Trudi ihre Mutter zum Lachen. »Aber in die Höhle des Löwen bist du mitgegangen, um sie zu befreien!«
»Das ist etwas anderes. Doch nun komm, sonst musst du wirklich fasten.« Während Marie aufstand, rüttelte Trudi ihre Schwester wach.
»Will schlafen«, murmelte Hildegard noch halb betäubt.
»Gerne, wenn du die nächste Nacht wieder als Reckendorfs Gefangene verbringen willst«, spottete Trudi.
»Reckendorf!« Hildegard schoss so schnell hoch, dass sie das Gleichgewicht verlor und von ihrer Schwester gehalten werden musste. Diese stellte sie auf die Beine und seufzte. »Bilde dir nicht ein, ich würde dich den ganzen Weg über stützen!«
»Gestern war ich nur etwas schwach, weil ich längere Zeit nichts gegessen hatte. Jetzt geht es wieder«, versicherte Hildegard eifrig.
So ganz kann das nicht stimmen, dachte Trudi und führte ihre Schwester zum Lagerfeuer, damit sie sich in der morgendlichen Kühle ein wenig wärmen und etwas in den Magen bekommen konnte. Sie selbst griff ebenfalls in den großen Kessel, aus dem alle aßen, und dachte, dass diese Leute einen schmackhafteren Morgenbrei zubereiteten als ihre eigene Köchin auf Fuchsheim.
Jossis Frau verteilte das letzte Brot, dann spannten die Männer die Pferde vor die beiden Wagen, und es ging weiter. Die Straße war staubig, und der frische Morgen wich bald einem immer wärmer werdenden Vormittag, bis die Sonne schließlich gegen Mittag sengend auf die Gruppe herabbrannte. Den meisten fiel das Gehen nun schwer, und Marie spürte, dass die Jahre ihr etliches an Kraft geraubt hatten. Nun wünschte sie sich nichts mehr als einen schattigen Ort, an dem sie sich ausruhen konnte. Mit Verfolgern im Nacken aber war daran nicht zu denken. Daher begnügte sie sich damit, etwas Wasser aus einem Bach zu trinken, an dem sie kurz haltmachten, und Getreidekörner zu kauen. In der Hitze zu rasten, zu
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