Toechter Der Suende
vollzählig versammelt waren, und das strapazierte seine Geduld. Als Letzter kam Bertschmann, der unterwegs eine ebenso hübsche wie entgegenkommende Bäuerin angetroffen und trotz seiner hinderlichen Rüstung die Gelegenheit ergriffen hatte, sich eine angenehme Stunde zu gönnen.
»Hattet Ihr einen längeren Weg als wir anderen?«, empfing Reckendorf ihn zornig.
»Mein Pferd hat gelahmt. Daher musste ich das Hufeisen nachsehen lassen«, log Bertschmann ungerührt und reihte sich neben seinem Herrn ein.
Hatte er in Bruno von Reckendorf früher ein Vorbild gesehen, verachtete er ihn mittlerweile. Anstatt hart und entschlossen durchzugreifen, zögerte der Junker ständig. Wenn der so weitermacht, wird er noch seine Burgen verlieren, sagte Bertschmann sich. Aber das durfte er nicht zulassen. Immerhin hatte sein Herr ihm eine davon als Mitgift für dessen Schwester versprochen. Es war bedauerlich, dass Reckendorf und Jungfer Margarete nur eine gemeinsame Mutter hatten, aber verschiedene Väter. Daher würde nicht sie die Erbin sein, wenn ihr Bruder ohne Nachkommen verstarb.
Junker Bruno hing ebenfalls seinen Gedanken nach. Für ihn ging es darum, das Unheil, das er am Horizont aufsteigen sah, zu überstehen. Wenn es Marie Adler gelang, mit ihrer Tochter nach Kibitzstein zu entkommen, hatte er jedes Faustpfand in diesem Streit verloren. Kam es dann zu einer Fehde, war er nicht in der Lage, jede seiner Burgen gleichermaßen gegen Männer wie Peter von Eichenloh und Otto von Henneberg zu schützen. Für einen Augenblick stellte Reckendorf sich vor, ihm bliebe tatsächlich nur eine einzige Burg, und Bertschmann würde diese als Margaretes Mitgift fordern.
»Niemals!«, stieß er zwischen den Zähnen hervor und trieb sein Pferd so an, dass die schlechter Berittenen unter seinen Männern nicht mehr Schritt halten konnten. Bertschmann machte sich nicht die Mühe, seinen Herrn darauf aufmerksam zu machen. Sie hatten immer noch genügend Krieger bei sich, um mit einer Handvoll Gaukler fertig zu werden.
Die Sonne befand sich bereits weit im Westen, als Reckendorf vor sich Leute in bunten Kleidern auftauchen sah. Sein Trupp war inzwischen auf ein Dutzend Männer zusammengeschrumpft, doch er zog mit einem befreiten Lachen sein Schwert und winkte den anderen, ihm zu folgen.
»Gleich haben wir sie! Wer die Jungfer und ihre Mutter fängt, erhält drei Gulden von mir.«
18.
N achdem Marie und ihre Begleiter die Burg verlassen hatten, schlugen sie zunächst die Richtung ein, in die sie angeblich hatten ziehen wollen. Erst nach einer Weile bogen sie ab und erreichten schließlich die Straße, die sie nach Westen und damit nach Kibitzstein bringen würde.
Allmählich sank die Sonne bis zum Horizont, und Jossi fragte besorgt, wann Marie lagern lassen wollte.
»Nicht bevor es dunkel wird«, antwortete diese. »Kochen können wir auch im Licht des Lagerfeuers!«
Hildegard, der ihr zweitägiges Fasten heftig zusetzte, taumelte und musste sich an Trudi festhalten. »Ich würde gerne etwas essen und trinken«, sagte sie.
Die junge Akrobatin reichte ihr eine Lederflasche mit Wein. »Hier, nimm! Das wird dich erfrischen und gibt dir neue Kraft.«
»Danke!« Hildegard setzte die Öffnung an den Mund und sog das saure Getränk in sich hinein, bis nichts mehr aus der Flasche herauskam. Der auf nüchternen Magen genossene Wein stieg ihr sofort zu Kopf, und sie klammerte sich noch stärker an ihre Schwester.
»Was ist los?«, fragte Trudi, weil Hildegard wie ein nasser Sack an ihr hing.
»Ich fühle mich ganz komisch«, flüsterte ihre Schwester. »Außerdem habe ich Hunger.«
»Haben wir ein Stück Brot für meine Tochter?«, fragte Marie Jossis Frau.
Diese nickte. »Wir haben auf der Burg welches bekommen!« Sie zog ihr Messer aus dem Gürtel, nahm einen Brotlaib und schnitt einen Teil davon ab. »Möge Gott es dir segnen!« Mit diesen Worten reichte sie Hildegard das Stück und forderte im nächsten Moment einige Nachzügler auf, schneller zu gehen.
»Je eher wir auf sicherem Grund und Boden stehen, umso besser ist es für uns alle«, setzte sie hinzu.
Marie nickte mit zusammengekniffenen Lippen. »Ich hoffe, Lisas Boten haben Eichenloh oder Henneberg erreicht. Wir haben nur dann eine Chance, Reckendorf zu entkommen, wenn wenigstens einer von ihnen uns zu Hilfe eilt.«
»Wenn es hart auf hart kommt, verschwinden wir in den Wäldern. Dort kann der Kerl lange nach uns suchen«, antwortete Trudi.
»Es würde den einen oder anderen
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