Toechter Der Suende
kochen und halbwegs in Ruhe zu essen, wagten die Gaukler nicht.
Die Kinder begannen müde zu werden und quengelten. Soweit es ging, setzten die Erwachsenen sich die Jüngsten auf die Schultern. Auch Trudi übernahm ein kleines Mädchen und sprach unterwegs beruhigend auf es ein. Obwohl Marie sich müde und erschöpft fühlte, wollte sie ebenfalls ein Kind übernehmen. Es kostete Jossi und Trudi einiges an Überzeugungskraft, ihr dies auszureden. Dafür nahm Hildegard trotz ihrer Schwäche einen Säugling in ihre Obhut und entlastete damit dessen Mutter.
So vergingen weitere Stunden. Der Abend war nicht mehr fern, und noch immer war niemand hinter ihnen zu sehen. Mittlerweile befürchtete Marie, dass keiner ihrer Schwiegersöhne rechtzeitig erscheinen würde, um sie zu schützen, und wollte schon den Vorschlag machen, die gesamte Gruppe solle sich im nächsten größeren Wald zerstreuen und gut verstecken. Da klangen vor ihnen Hufschläge auf.
Schnell verschwanden sie alle im Unterholz, sogar die Pferde wurden samt den Karren zwischen die Bäume geführt. Angespannt warteten sie, wer ihnen entgegenkam. Marie ertappte sich dabei, wie sie zu ihrer besonderen Heiligen Maria Magdalena betete, während Trudi ein wenig nach vorne schlich, um den Weg übersehen zu können.
»Es ist Peter!«
Der Ruf ihrer Tochter ließ schwere Lasten von Maries Schultern purzeln. Sie eilte zu Trudi und sah, wie Peter von Eichenloh mit zehn Leuten im Gefolge rasch näher kam.
Trudi trat aus dem Wald. »Wohin des Weges, edler Ritter?«, fragte sie lachend.
Eichenloh riss sein Pferd zurück und hielt an. Fassungslos starrte er die junge Frau an, die ihn mit der Stimme seiner Frau angesprochen hatte, aber mit ihrer braunen Haut und den bunten Lumpen seltsam fremd wirkte.
»Bist du es wirklich?«, stieß er hervor.
Bevor Trudi antworten konnte, trat auch Marie auf die Straße. »Willkommen, mein lieber Eidam. Ihr habt lange auf Euch warten lassen.«
Eichenloh sah sie an und dann wieder Trudi und begann zu lachen. »So einen Streich könnt wirklich auch nur ihr beide vollbringen! Habt ihr Jungfer Hildegard gefunden?«
»Ja«, antwortete jetzt Hildegard selbst, die sich zu Mutter und Schwester gesellt hatte. Auch einige Gaukler wagten es nun, den Kopf aus dem Wald herauszustrecken.
»Ihr habt Reckendorf also wirklich überlistet!«, rief Eichenloh in einem Tonfall, als könne er es nicht glauben.
»Und ihn dazu fein verschnürt und geknebelt an Hildegards Stelle zurückgelassen. Er wird uns wenig Dank dafür wissen. Daher sollten wir zusehen, dass wir vorwärtskommen.«
Maries Worte waren für die Gaukler ein Signal. Innerhalb kürzester Zeit quollen sie samt Pferden und Karren aus dem Gehölz und zogen weiter. Eichenloh und seine Männer folgten ihnen mit einer Mischung aus Unglauben und Staunen.
Als Teil des fahrenden Volkes gehörten Jossi und seine Leute zu den Ausgestoßenen, die keine andere Heimat kannten als die Straße. Sie galten als Diebe, die alles mitnahmen, was ihnen zwischen die Finger kam, waren aber dennoch bei großen Festen und Jahrmärkten wegen ihrer Künste willkommen. Wie es seiner Schwiegermutter gelungen war, diese Gruppe dazu zu bewegen, ihr zu helfen, konnte Eichenloh nur vermuten. Doch im Augenblick galt es, Wichtigeres zu bedenken.
Er schloss zu Marie auf. »Wäre es nicht besser, wenn meine Männer und ich Euch, Trudi, Hildegard und ein paar der erschöpften Frauen der Gruppe zu uns aufs Pferd nehmen? Auf die Weise kämen wir rascher voran.«
»Dann wärt Ihr im Nachteil, wenn Reckendorf mit seinen Männern angreift! Wie wollt Ihr mit Weibern hinter dem Sattel kämpfen, mein Lieber?«
»Das habe ich nicht bedacht. Wie es aussieht, seid Ihr, was Kampf und Flucht betrifft, erfahrener als ich!«
Eichenloh hatte einen Witz machen wollen, doch über Maries Gesicht huschte ein wehmütiges Lächeln. »Ich bin in meinem Leben oft genug geflohen, Herr Peter, und weiß, wie es sich anfühlt, wenn man den Atem des Verfolgers im Nacken spürt. Und derzeit zieht es mir arg im Nacken.«
»Dann wollen wir dafür sorgen, dass Eurem Nacken nichts geschieht!« Eichenloh reihte sich mit seinen Reitern hinter der Gauklergruppe ein, um sich sofort gegen die Verfolger stellen zu können. Die Männer lockerten die Schwerter, und zwei von ihnen blieben ein wenig zurück, um bei Reckendorfs Erscheinen die anderen zu warnen.
19.
M arie begann schon zu hoffen, dass Hildegards Entführer sie an diesem Tag nicht mehr einholen
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