Toechter Der Suende
Dies fand jedoch in keinem ihrer Häuser statt, sondern in der Kapelle der heiligen Witwe Irene.
Für Orsini stellte dieser Treffpunkt das äußerste Zugeständnis dar, das er zu machen gewillt war, und er blickte Dario d’Specchi missbilligend entgegen. »Ich vermisse Euren Sohn, Signore Dario!«
Als d’Specchi dies hörte, fragte er sich, ob der Conte seinen Spott mit ihm treiben wollte oder tatsächlich nichts von Cirios Verletzung wusste. »Mein Sohn ist heute verhindert«, antwortete er daher vorsichtig.
»Er ist mir schon etwas zu lange verhindert«, erklärte Ercole Orsini mit eisiger Stimme. »Ich hatte erwartet, er würde Francesca an jenem Tag nach Hause bringen. Stattdessen ließ er meine Tochter im Stich, so dass sie einen lumpigen deutschen Ritter bitten musste, sich ihrer anzunehmen.«
Orsinis Zorn ist echt, das begriff d’Specchi nun, und er beschloss, offener zu sein. »Ich bedauere die unangenehme Lage, in der Eure Tochter sich befunden hat. Doch mein Sohn ist daran unschuldig. Er wurde noch in den Katakomben überfallen und schwer verletzt. Das müsste Euch Eure Tochter doch berichtet haben.«
Ein letzter Funken Misstrauen glomm in d’Specchi auf, doch als er Orsinis fassungsloses Gesicht sah, erlosch auch dieser. »Ihr müsst verzeihen, dass ich nicht sofort zu Euch gekommen bin, doch ich wusste nicht, ob der Anschlag auf Cirio nicht von Eurer Seite veranlasst wurde. So glücklich seid Ihr über diese Heirat nicht gewesen.«
»Das bin ich auch jetzt nicht, doch da es der Wunsch des Oberhaupts meiner Familie ist, beuge ich mich dieser Forderung.« Conte Orsini schwieg kurz, als müsse er seine Gedanken wieder einfangen, und fragte dann: »Wie schwer ist Euer Sohn verletzt?«
»Ich werde ihn in den nächsten Tagen auf meinen Landbesitz schaffen lassen. Dort wird er mehrere Wochen bleiben müssen.«
»Dann ist es wohl sehr schlimm«, stellte Orsini fest.
»Wir haben wochenlang um sein Leben gebangt. Seine Mutter«, d’Specchi sprach das letzte Wort sehr betont aus, »hat die Altäre von Santa Maria Maggiore kaum mehr verlassen, so innig hat sie für seine Genesung gebetet.«
»Das ist bedauerlich, denn Euer Sohn hat einen scharfen Verstand und einen kühnen Willen. Sein Rat und seine Taten werden uns fehlen, wenn wir den Besuch des deutschen Königs verhindern wollen.« Trotz seiner Abneigung gegen die d’Specchis billigte Orsini Cirio so viel Scharfsinn zu, um für ihn und den Herzog von Gravina von Wert zu sein.
»Niemand bedauert dies mehr als ich oder Cirio selbst. Doch er ist immer noch zu schwach, um aufrecht stehen zu können.« Dario d’Specchi fiel heiß ein, dass er dem Conte beichten musste, dass sein Sohn nicht mehr der hübsche junge Mann war, als den dieser ihn kannte.
»Wo wurde er verwundet?«
Auf Orsinis Frage hin zeigte d’Specchi auf die rechte Seite seines Gesichts. »Hier! Ihm wurden mit einem Hammer oder etwas Ähnlichem das Jochbein und das Nasenbein zertrümmert. Auch das rechte Auge hat Schaden genommen. Der Arzt befürchtet, dass es seine Sehkraft für immer verloren hat.«
Nun war es ausgesprochen. D’Specchi atmete tief durch und ließ dabei seinen Gesprächspartner nicht aus den Augen.
»Das ist nicht gut«, antwortete der Conte, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob der junge Mann durch diese Verletzung entstellt sein könnte. Ihn beschäftigte etwas ganz anderes. »Wisst Ihr, wer es war?«
Dario d’Specchi schüttelte den Kopf. »Nein! Mein Sohn hat keine Erinnerung mehr. Ich sagte bereits, dass wir sogar Euch in Verdacht hatten. Feinde, die es getan haben könnten, gibt es leider genug. Diese verfluchten Colonnas …«
»Die könnten es gewesen sein!«, unterbrach Orsini ihn. Wie seine eigene Sippe verfügte auch die konkurrierende Familie Colonna über Handlanger vom Range der d’Specchis. Doch als Dario berichtete, wie Gianni seinen Sohn gefunden hatte, kamen dem Conte Zweifel. Kein römischer Meuchelmörder hätte Cirio mit einem Hammer niedergeschlagen. Man hätte einen Dolch benutzt und sich versichert, dass der junge Mann wirklich tot war.
Bestürzt fragte er sich, welche Rolle seine Tochter dabei gespielt haben mochte. Er kannte ihre Abneigung gegen Cirio d’Specchi und traute ihr zu, diesen im Zorn niedergeschlagen zu haben. Hatte sie vielleicht, während der junge Mann ihr Gewalt angetan hatte, einen Hammer ertastet und Cirio damit abgewehrt? Diesen Verdacht durfte er gegenüber den d’Specchis niemals äußern, denn Cirio
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