Toechter Der Suende
einzige Tochter einem solchen zur Frau geben zu müssen war ihm zuwider. Beinahe bedauerte er es, dass der Mann, von dem Cirio niedergeschlagen worden war, nicht besser getroffen hatte. Dann aber dachte er an seine Tochter und seine Befürchtung, sie könne an Cirios Verletzung schuld sein, und war erleichtert, sie nicht als Mörderin ansehen zu müssen.
13.
F rancesca ahnte nicht, welchen Verdacht ihr Vater hegte, und genoss daher die Freiheiten, die ihr seit jenem schlimmen Tag gewährt wurden. Sie durfte ihre Freundinnen besuchen, konnte in die Kirche gehen, wann es ihr genehm war, und fand vor allem immer wieder die Zeit, sich in der Sakristei der Witwe-Irene-Kapelle mit Falko zu treffen. Nur selten dachte sie dabei über den Tag hinaus. Obwohl sie der Heirat mit Cirio d’Specchi entgehen wollte, scheute sie davor zurück, mit Falko in die Fremde zu fliehen. Sie fürchtete das kalte, rauhe Land im Norden kaum weniger als ihren Bräutigam. Doch war Cirio das noch?, fragte sie sich. Immerhin hatte sie seit jenem Tag in den Katakomben nichts mehr von ihm gehört. Auch war der alte d’Specchi seitdem nicht mehr bei ihrem Vater aufgetaucht.
Vielleicht hat Falko mich auf ewig von diesem Mann befreit, dachte sie, als sie an diesem Morgen aus einem seltsamen Traum erwachte, in dem sie durch einen düsteren Wald geirrt war, um nach dem jungen Deutschen zu suchen. Doch immer, wenn sie dessen Stimme zu hören geglaubt hatte und darauf zugelaufen war, war sie auf Cirio d’Specchi gestoßen. Nach dem Aufwachen konnte sie nicht mehr sagen, wie dieser Traum ausgegangen war.
Wie lange kannte sie Falko bereits? Für ihr Gefühl war es schon ewig, doch als Francesca nachrechnete, waren es nicht einmal drei Monate. In dieser Zeit hatte sie sich mehr als ein Dutzend Mal mit ihm getroffen und sich ihm ebenso oft hingegeben. Bei dem Gedanken verspürte sie den Wunsch, dies bald wieder zu tun. In Falkos Armen fühlte sie sich glücklich und vergaß all die Widrigkeiten, mit denen das Leben sie überschüttete.
Ich sollte doch mit ihm fliehen, dachte sie und fragte sich, ob die Leidenschaft, die sie für ihn empfand, für ein ganzes Leben reichen würde. Was war, wenn er in seiner Heimat zu einem dieser dumpfen, nur an seine eigenen Bedürfnisse denkenden Männer wurde, so wie die Menschen, die nach Deutschland gereist waren, die Einwohner dort beschrieben.
»Das wird Falko gewiss nicht«, flüsterte sie und erschrak vor dem Klang der eigenen Stimme. Diesen Namen durfte sie niemals vor ihren Eltern oder den Bediensteten aussprechen, wenn sie nicht wollte, dass er und auch sie in Teufels Küche kamen.
Plötzlich überbekam sie Angst vor der Zukunft, und gleichzeitig wurde ihr übel. Sie konnte gerade noch rechtzeitig ihren Nachttopf unter dem Bett hervorziehen, sonst hätte sie sich auf den Boden übergeben. Während sie würgte, fragte sie sich, ob in der Küche schon wieder verdorbene Lebensmittel verwendet worden waren. In ihr Elend versunken, bekam Francesca nicht mit, dass sich draußen Schritte näherten und vor ihrer Kammertür endeten.
Ihre frühere Zofe Annunzia sollte für Contessa Flavia etwas aus deren Gemächern holen und musste dafür an der Kammer der jungen Herrin vorbeigehen. Als sie drinnen Würgegeräusche hörte, blieb sie stehen und öffnete so vorsichtig die Tür, dass sie diese sofort wieder zuschlagen konnte, falls Francesca versuchte, ihr eine Haarbürste oder ein Glas an den Kopf zu werfen. Doch diese nahm sie nicht einmal wahr.
Annunzia musterte die junge Frau, und in ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. So viel Wein, dass es ihr jetzt noch schlecht ergehen konnte, hatte Francesca am Abend vorher nicht getrunken. Auch sonst gab es keinen Grund für eine morgendliche Übelkeit – außer einem einzigen.
Leise schloss Annunzia die Tür wieder und huschte davon. Der Auftrag, den Francescas Mutter ihr erteilt hatte, war vergessen, und so platzte sie, ohne anzuklopfen, in deren Nähzimmer.
»Contessa, Contessa, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber Eure Tochter …«
»Was ist mit Francesca?«, unterbrach Flavia sie besorgt.
»Ihr ist übel, und ich bin überzeugt, dass sie schwanger ist!«
»Schwanger?« Die Contessa schlug erschrocken das Kreuz. »Hol meinen Gemahl – und zwar schnell!«, rief sie und musste sich erst einmal setzen.
Kurz darauf kam Conte Ercole herein. »Was ist los?«, fragte er verärgert, weil die Dienerin ihn beim Lesen eines wichtigen Briefes gestört
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