Toechter Der Suende
Zweierlei will ich Reckendorf jedoch zugutehalten: Zum einen hat er Jungfer Hildegard während ihrer Gefangenschaft nichts angetan oder antun lassen. Zum anderen musste er während seines Krankenlagers starke Arznei zu sich nehmen, darunter auch jenen seltenen Mohnsaft aus dem Orient, der, wie ich vernommen habe, die Gedanken und Gefühle eines Menschen verändern kann. Daher nehme ich an, dass sein Zorn, gegen Falko Adler verloren zu haben, durch dieses Mittel verstärkt wurde, ebenso sein Hass, mit dem er die Kibitzsteiner Sippe verfolgt hat.
Dies entschuldigt jedoch nicht seinen Überfall und den Schrecken, den er der Witwe auf Kibitzstein und deren Töchtern eingejagt hat.« Das Letzte setzte der Fürstbischof noch rasch hinzu, da Marie Adler und ihre Töchter kurz davor schienen, sich in Furien zu verwandeln, und Lisas Ehemann Otto von Henneberg bereits die Hand am Schwertgriff hielt.
»Aus diesem Grund wird er die Damen für den Schrecken entschädigen, den sie erlitten haben.« Gottfried Schenk zu Limpurg legte eine kleine Pause ein und beobachtete die Beteiligten.
Reckendorf kaute auf seinen Lippen herum, wagte aber nicht zu widersprechen. Maries Miene entspannte sich ein wenig. Auch Henneberg zog die Hand wieder zurück und setzte sich aufrecht hin.
»Gräfin Hiltrud, genannt Trudi, und ihr Gemahl erhalten für sechs Jahre die Einkünfte der sich im Besitz Reckendorfs befindlichen Herrschaft Trutzreut zugesprochen. Seid Ihr damit einverstanden?«
Trudi und Peter von Eichenloh tauschten einen Blick und nickten.
Das war schon einmal ein Anfang, sagte sich der Fürstbischof und fuhr in seiner Rede fort. »Marie Adlerin, Witwe auf Kibitzstein, wurde bei diesem schändlichen Überfall verletzt. Daher erhält sie auf sechs Jahre die Einkünfte von Reckendorfs Besitz Haspelfeld sowie auf Dauer die Einkünfte zweier Dörfer, die zu Haspelfeld gehören.«
Ein kurzer Blick Herrn Gottfrieds galt Reckendorf, der dem Ganzen mit wachsendem Entsetzen folgte. Doch es sollte noch schlimmer für ihn kommen, denn der Fürstbischof wies nun auf Lisa und ihren Mann.
»Elisabeth, Frau Maries Ziehtochter aus den Sippen derer von Hettenheim und Lauenstein, wird für ihren Schrecken und die Gefahr, in die sie durch die unbedachte Handlung Bruno von Reckendorfs geraten ist, mit dessen Besitztum Schrengenbach auf ewige Zeiten entschädigt. Seid froh, Junker Bruno, dass ich Lisas Vetter Hilbrecht von Hettenheim mit Falko Adler nach Rom geschickt habe. Ich weiß nicht, ob es mir gelungen wäre, ihn davon abzuhalten, Euch einen Kopf kürzer zu machen.«
Einige Zuhörer lachten, während andere von der Nachricht überrascht wurden, dass Lisa nicht Maries leibliche Tochter war. Doch noch war Gottfried Schenk zu Limpurg nicht am Ende. »Bruno von Reckendorf hat die Damen nicht nur heimtückisch überfallen, sondern auch die Jungfer Hildegard Adler auf seine im Bambergischen liegende Burg Treutwiesen entführt …«
»… und dort in schmählicher Gefangenschaft gehalten«, unterbrach Hildegard den Fürstbischof, stand auf und warf den Mantel ab. Darunter trug sie die Lumpen, die Reckendorf ihr damals aufgezwungen hatte. Auch wenn diese mittlerweile gewaschen worden waren und nicht mehr stanken, keuchten einige der anwesenden Damen erschrocken auf, und bei Reckendorfs Freunden nahm die Bereitschaft, für ihn einzustehen, spürbar ab.
Der Fürstbischof gab den Leuten ein wenig Zeit, den Anblick auf sich wirken zu lassen, und wandte sich mit einem seltsamen Lächeln an Reckendorf. »Wie ein Edelmann habt Ihr wahrlich nicht gehandelt, Junker Bruno. Dabei wäre Frau Maries Stieftochter höchster Ehren wert, denn sie ist die Enkelin einer Dame aus dem Geschlecht derer von Wittelsbach. Ihr werdet daher, solltet Ihr nach Heidelberg, Landshut oder München kommen, den hohen Verwandten der jungen Dame einiges zu erklären haben. Wenn sie Euch bestrafen, werde ich nichts dagegen tun. Ich werde mir Euretwegen keine Fehde mit dem Pfalzgrafen am Rhein und den Herzögen von Nieder-und Oberbayern einhandeln!«
»Jungfer Hildegard ist eine Wittelsbacherin? Aber wie kann das sein?« Nun fühlte Reckendorf sich wie auf dünnem Eis, das jederzeit unter ihm brechen konnte.
»Das ist eine Sache, über die ungern geredet wird. Frau Marie war damals verschollen und galt als verstorben. Da hat Seine Majestät Kaiser Sigismund ihrem als Witwer geltenden Ehemann Michel Adler, Reichsritter auf Kibitzstein, eine Ehe mit einer jungen Wittelsbacherin
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