Toechter Der Suende
des Alpengebirges.
Annunzia wollte den Kaiser sehen und streckte den Kopf noch weiter aus der Sänfte hinaus. Dabei stützte sie sich auf Francescas Knie.
»Tu deine Hand weg!«, fauchte diese sie an.
»Habt Euch doch nicht so! Mit Eurem dicken Bauch könnt Ihr ohnehin nicht hinausschauen!« Die Zofe kümmerte sich nicht um Francescas Unmut, sondern starrte nach vorne. Ihre Vorstellungen von einem prachtvollen Aufzug wurden jedoch enttäuscht.
Friedrich folgten nur wenige hundert Leute, und er selbst glich in seinem weiten, schon leicht abgetragenen Reisemantel eher einem armen Ritter.
Mit einem verächtlichen Schnauben setzte Annunzia sich wieder. »Und so etwas will Kaiser sein! Euer Vater und Euer Bräutigam würden sich schämen, sich so schäbig gekleidet zu zeigen.«
Francesca achtete nicht auf sie, sondern stemmte sich schwerfällig hoch und blickte selbst ins Freie. Der Kaiser war bereits ein ganzes Stück weitergeritten, und so nahm sie den prachtvollen Reisewagen wahr, den Kaiserin Eleonore benutzte, und die aus deutschen Rittern und römischen Jünglingen bestehende Leibwache, die diesen umgab. Die jungen Römer waren vom Papst neu eingekleidet worden und glänzten in ihren mit Gold-und Silberfäden bestickten Röcken. Die Deutschen hingegen waren in Eisen gewandet und wirkten auf Francesca wie wachsame Hunde, die bereit waren, sich auf jeden zu stürzen, der ihrer Herrin zu nahe kam.
»Nun, ich würde mich nicht schämen, auf diese Weise zu reisen«, sagte sie zu ihrer Zofe und nahm wieder Platz. Kurz darauf wurde die Straße freigegeben, und ihr Reisezug konnte seinen Weg fortsetzen.
Nicht mehr lange, da zogen sie in die Stadt ein und erreichten bald Ercole Orsinis Palazzo. Contessa Flavia hatte sich zum Empfang ihrer Tochter eingefunden und nahm traurig deren blasses, leicht fleckiges Gesicht und die unbeholfene Gestalt wahr. Dabei erinnerte sie sich, dass sie vor neunzehn Jahren, als sie mit Francesca schwanger gegangen war, nicht anders ausgesehen hatte.
»Sei mir willkommen, mein Kind«, sagte sie und küsste ihre Tochter auf die Wange.
Francesca knickste, musste dabei aber von ihrer Mutter festgehalten werden, damit sie nicht vornüberkippte.
»Sachte! Du brauchst mich und auch deinen Vater nicht durch einen Fußfall zu ehren. Dein Zustand entschuldigt dich.«
»Ich hoffe, es ist bald vorbei. Ich fühle mich wie ein mit Sand gefüllter Sack, der auf Entenbeinen watschelt!« Francesca betrachtete ihren ausladenden Leib mit einem zornigen Blick, der sich aber sofort wieder verlor, als sie an das kleine Wesen dachte, das in ihr wuchs.
»Es dauert nicht mehr lange«, versuchte ihre Mutter sie zu trösten. »In wenigen Wochen wirst du dein Kind in die Arme einer Amme legen und dich deinem Gemahl widmen können.«
»Gemahl?«, fragte Francesca erschrocken. Sollten die Eltern sie etwa zurückgeholt haben, um sie zu verheiraten? Wenn das der Fall war, würde sie rasch handeln müssen.
»Hast du vergessen, dass du mit Signore Cirio d’Specchi, dem Vater deines Kindes, verlobt bist?«, fragte Contessa Flavia erstaunt.
Am liebsten hätte Francesca ihrer Mutter ins Gesicht gesagt, wer sie wirklich geschwängert hatte, doch damit würde sie sich selbst der Strafe ihres Vaters und Falko dessen Rache ausliefern. Daher wandte sie sich schweigend ab und schritt auf die Eingangstür zu.
Ihre Mutter folgte ihr und legte ihr die Hand auf den Unterarm. »Übrigens wird Signore Cirio heute Abend mit uns speisen. Seine Eltern und seine Schwestern werden ebenfalls kommen.«
Wie ihr Mann hoffte Contessa Flavia, die Anwesenheit der anderen Gäste würde verhindern, dass ihre Tochter ihrem Abscheu vor Cirios Aussehen lautstark Ausdruck gab. Ganz sicher war sie sich jedoch nicht, denn Francesca verachtete die vier Schwestern des jungen Mannes nicht weniger als diese sie.
»Über eine Sache müssen wir noch reden«, erklärte sie und führte ihre Tochter in ihre eigenen Gemächer.
Annunzia folgte ihnen und blieb an der Tür stehen. »Benötigt Ihr etwas, gnädigste Contessa?«, fragte sie Flavia.
Bevor diese etwas sagen konnte, tat Francesca so, als würde sie die Worte auf sich beziehen. »Ja, ich benötige Lina zu meiner Bedienung. Du kannst an ihrer Stelle in der Küche helfen, denn ich will dich niemals mehr in meiner Nähe sehen. Das gilt auch für den Fall einer Heirat. Sollte jemand versuchen, dich mir aufzudrängen, wirst du sterben!«
Obwohl ihre junge Herrin es im ruhigen Ton gesagt hatte,
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