Toechter Der Suende
begriff Annunzia, wie ernst es Francesca mit dieser Drohung war, und sah deren Mutter erschrocken an.
Flavia war nicht weniger bestürzt als die Zofe und überlegte, wie sie reagieren sollte. Ihre Tochter war nicht mehr das trotzige Kind, das sich mit Naschwerk versöhnen ließ, und ihr Hass auf Annunzia würde daher nicht so rasch weichen. Sie fragte sich, was auf dem Landgut vorgefallen sein mochte. Sie hatte die Zofe Francesca mitgegeben, damit das Weib ihrer Tochter dienen sollte, aber Annunzia hatte sich wahrscheinlich als Zuchtmeisterin aufgespielt.
Verärgert wandte sie sich an die Dienerin. »Du hast Francesca gehört! Geh und schicke Lina in die Kammer meiner Tochter, um dort aufzuräumen. Sie soll Francesca ab jetzt bedienen und sie später in die Casa d’Specchi begleiten. Für dich finden wir eine andere Arbeit im Haus.«
Annunzia war empört. Nach so vielen Jahren treuer Dienste sollte sie auf den Stand einer einfachen Magd herabgesetzt werden, während diese Schlafmütze Lina Francesca als neue Zofe dienen durfte. Das hieß, ihr bisher recht leichtes Leben gegen harte Arbeit eintauschen zu müssen, mit der Aussicht, von der Beschließerin bis hinab zur Köchin von allen, die über ihr standen, wegen jeder Kleinigkeit geschlagen zu werden. Das hatte sie nicht verdient. Schnaubend verließ sie die Kammer, stapfte die Treppe hinab und platzte in die Küche.
Dort ließ sie sich von der Köchin einen Teller füllen und Wein einschenken. Anschließend berichtete sie den staunenden Zuhörerinnen, wie es ihr und Francesca auf dem Landgut ergangen war. Mit einem zufriedenen Lächeln nahm sie wahr, dass auch Lina an ihren Lippen hing. Eigentlich hätte sie der Alten sagen müssen, dass diese nach oben gehen und Francescas Gepäck einräumen sollte, doch das unterließ sie. Die elende Schlafmütze sollte Francescas Zorn spüren, wenn diese ihr Zimmer betrat und dort noch alles so vorfand, wie die Knechte es hinterlassen hatten.
17.
W ährend Annunzia die Aufmerksamkeit der Mägde genoss, stand ihre Herrin vor dem Problem, Francesca erklären zu müssen, dass Cirio d’Specchis Aussehen durch eine Verletzung gelitten hatte. Die Contessa überlegte lange, wie sie beginnen sollte, und schilderte Francesca erst einmal den Besuch des deutschen Königs und jetzigen römischen Kaisers in der Stadt, die Feiern zu dessen Heirat mit der Portugiesin Eleonore von Portugal und die Krönung beider durch den Papst. Erst später, als Francescas Neugier gestillt war und diese sich entspannt auf ihrem Stuhl zurücklehnte, kam die Mutter auf Cirio d’Specchi zu sprechen.
»Du wirst dich gewiss gewundert haben, warum dein Verlobter unser Haus so lange gemieden hat. Das geschah nicht aus Scham oder gar Zorn. An jenem Tag in den Katakomben ist er, nachdem du in jungfräulichem Erschrecken vor ihm geflohen bist, von ruchlosen Feinden niedergeschlagen und schwer verletzt worden. Der Arme hat viele Tage mit dem Tod gekämpft und sich während der langen Zeit seiner Genesung auf den Landsitz seines Vaters zurückziehen müssen.«
Francesca folgte den Ausführungen ihrer Mutter scheinbar erstaunt und entsetzt, hatte aber Mühe, ernst zu bleiben. Wie es sich anhörte, glaubten ihre Eltern fest daran, Cirio d’Specchi wäre bei ihr zum Erfolg gekommen und hätte sie geschwängert. Sie ahnten nicht, dass sie nicht aus jungfräulicher Scham vor ihm geflohen war. Auch hatte sie sich Falko höchst schamlos angeboten. Geschwängert hatte dieser sie allerdings erst kurz darauf bei einem ihrer heimlichen Treffen in der Kapelle ihrer Familie.
»Nun ist Signore Cirio zwar wieder gesund, aber er trägt die Spuren seiner schlimmen Verletzung im Gesicht. Sein Aussehen mag dir schrecklich, vielleicht sogar abstoßend vorkommen, doch sei versichert, dass etliche Kriegshelden noch fürchterlicher entstellt sind und doch von ihren Frauen und Kindern geliebt und verehrt werden.
Um dich nicht zu sehr zu erschrecken, hat Signore Cirio versprochen, in deiner Gegenwart eine Augenbinde zu tragen.«
Das Letzte setzte Flavia Orsini schnell noch hinzu, in der Hoffnung, Francesca würde sich mit der Situation abfinden und es an diesem Abend nicht zum Eklat kommen lassen. Vorsichtshalber hatten ihr Gemahl und sie nur die d’Specchi-Familie eingeladen und keine weiteren Freunde. Gemeinsam würde es ihnen gelingen, so hoffte sie, Francesca im Zaum zu halten.
Allen Befürchtungen ihrer Mutter zum Trotz graute es Francesca nicht schon im Vorhinein vor Cirio
Weitere Kostenlose Bücher