Toechter Der Suende
bleiben.
Das war eine gute Entscheidung, denn es war nicht so einfach, genügend Säumer und Saumtiere aufzutreiben. Die beiden Karren, die Elisabeths Habe und die Geschenke enthielten, waren für den Weg durch die Schlucht und über den Passweg zu breit. Daher mussten sie entladen, in Einzelteile zerlegt und zusammen mit ihrer Last auf Maultiere und Pferde verteilt werden.
Zwei Tage später machte sich eine stattliche Karawane auf den Weg zum Sankt-Gotthard-Pass. Diejenigen, die beritten waren, konnten vorerst noch auf dem Rücken ihrer Tiere reisen. Ihr Führer, der sich als ein Bruder des Schiffers entpuppte, der sie über den See gebracht hatte, prophezeite ihnen jedoch, dass sie sich bald glücklich schätzen würden, zu Fuß gehen zu dürfen.
Danach sah es zunächst noch nicht aus. Der Weg war besser, als Falko es nach seinen bisherigen Erfahrungen auf dieser Reise angenommen hatte. Als er den Anführer der Säumer darauf ansprach, antwortete dieser mit einem breiten Lächeln.
»Eine gute Straße ist der halbe Weg, hat schon mein Großvater gesagt. Deshalb halten wir sie in Ordnung. Auf diese Weise können wir alles transportieren, was die Kaufleute mit sich führen. Die Herrschaften in Deutschland wollen mit welschen Waren versorgt sein, und davon leben wir.«
Und das ganz gut, setzte Falko für sich hinzu, während sein Blick über Flüelen und das nahe gelegene Altdorf schweifte. Die Häuser waren zumeist größer als die in seiner Heimat. Zwar bestanden sie größtenteils aus Holz, das aus den Wäldern an den Bergflanken ringsum billig zu bekommen war, wirkten aber trotzdem stattlich. Weiter oben auf den Hängen konnte man einzelne Gehöfte sehen, für die sich kein wohlhabender Freibauer in der Heimat geschämt hätte.
Dennoch wollte Falko nicht an diesem Ort wohnen müssen. Für seinen Geschmack ragten die Berge zu steil und bedrohlich in die Höhe, und es würde noch einige Zeit dauern, bis die Sonne über die Gipfel im Osten aufgestiegen war. Zu dieser frühen Morgenstunde empfand er die Luft als arg kühl, und wenn er die schneebedeckten Firne in der Umgebung betrachtete, fröstelte es ihn noch mehr.
»Wie lange wird es dauern, bis wir in Bellinzona ankommen?«, fragte er ihren Führer.
»Es kommt darauf an, ob das Wetter so bleibt, wie es jetzt ist, oder ob es umschlägt. Ein Gewitter in den Bergen kann unangenehm werden – mit Hagel, Schnee und einer Kälte, bei der einem das Mark in den Knochen erfriert.«
Falko wusste nicht, ob der Mann die Wahrheit sprach oder nur aufschnitt, um ihn zu beeindrucken. Doch als er sich an das schreckliche Unwetter auf dem See erinnerte, machte er sich auf alles Schlechte gefasst.
»Was können wir tun, wenn ein Gewitter aufzieht?«
»Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Wenn der Weg breit genug ist, bleiben wir dort, wo wir gerade sind, falls wir nicht ausgerechnet am Rand einer Schlucht stehen. Oder aber wir gehen zurück oder vorwärts bis zu einer Stelle, die ein wenig Schutz bietet. Der beste Schutz gegen Hagel und Kälte ist ein dicker Mantel mit Kapuze und ein Hut darunter, wie ich einen auf dem Kopf habe.«
Der Mann wies grinsend auf den verbeulten Filz, der aussah, als hätte er bereits etliche Hagelschläge überstanden, und nahm wieder einen Schluck aus der Lederflasche, die an seinem Gürtel hing.
15.
E s ging bergauf. Stunde um Stunde setzten Mensch und Tier einen Schritt vor den anderen, während die Berge zu beiden Seiten immer stärker zusammenrückten und Falko das Gefühl gaben, sich den Grenzen der Welt zu nähern. Und doch musste es jenseits dieser hoch aufragenden Steinmauern Leben geben, denn ihnen kamen immer wieder Säumerzüge entgegen, die Waren aus Italien nach Norden brachten. Auch trafen sie auf Wanderer und Pilger, die nordwärts strebten.
Gerne hätte Falko von diesen Reisenden etwas über die Lande jenseits der Berge erfahren, doch es blieb nur selten die Zeit für mehr als einen Gruß.
In seiner Gruppe breitete sich Schweigen aus. Die Frauen wagten es kaum, zu den Bergen nach oben zu schauen. Zumeist hefteten sie den Blick auf den Boden zu ihren Füßen, und die beiden älteren Nonnen bewegten die Lippen in lautlosem Gebet. Auch Giso sah ganz so aus, als würde er am liebsten die Himmelsmächte anflehen, sie mit einer riesigen Hand aufzuheben und jenseits dieser grauen Riesen wieder abzusetzen.
Alle waren froh, am Nachmittag das Dörfchen Silenen zu erreichen, wo sie in der Säumerherberge absteigen und einen großen
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