Toechter Der Suende
Faust.
»Ich kann Euch und Eure Männer zum Campo Santo Teutonico führen«, bot Gianni an.
Der Junker schüttelte den Kopf. »Ich will nicht, dass er oder jemand anderes aus seiner Begleitung mich sieht. Wir sind keine Freunde, musst du wissen.«
Und du bist ein Narr, weil du deine Gedanken auf der Zunge trägst, spottete Gianni insgeheim. Ihm kam dieser Fremde gerade recht. Wenn der mit Falko Adler aneinandergeriet und ihn tötete, war ein möglicher Spion des deutschen Königs ausgeschaltet. Außerdem sah er eine neue Gelegenheit, sich an Mariangela zu rächen. Dieser Bulle machte wahrlich nicht den Eindruck, als würde er das Nein einer Frau gelten lassen.
Mit gespielter Freundlichkeit verneigte Gianni sich vor Junker Rudolf wie vor einem großen Herrn. »Ich kann Euch eine Taverne nennen, deren Wein und Braten weit über Rom hinaus gerühmt werden. Ihr könnt dort auch übernachten, und es heißt, dass die Wirtstochter nichts dagegen hat, einem besonderen Gast die Nächte zu versüßen.«
Da es Junker Rudolf unterwegs nur zweimal gelungen war, eine Magd so weit zu bringen, sich ihm hinzugeben, leuchteten seine Augen auf. »So wie du es beschreibst, ist es genau die Herberge, die ich mir wünsche. Los, bring uns hin!«
»Aber selbstverständlich! Wenn die Herren mir folgen wollen.« Innerlich lachte Gianni über den Tölpel, der ihm so rasch auf den Leim gegangen war. Da Falko Adler seit seiner Ankunft in Rom bereits zweimal Gaspares Taverne aufgesucht hatte und es gewiss auch ein drittes Mal tat, würde er dort auf diesen Ochsen von Mann treffen und mit ihm aneinandergeraten. Danach konnte er ihn von der Liste der Verdächtigen streichen.
Vierter Teil
Die Katakomben
1.
F rancesca Orsinis Laune glich einer stürmischen Sommernacht mit Hagel und Blitz. Seit Tagen war sie in ihrem Zimmer eingesperrt und durfte es nur verlassen, um die heilige Messe zu besuchen. In der Kirche und auf dem Weg dorthin stand sie unter der strengen Aufsicht ihrer Mutter und ihrer Zofe Annunzia, und es wurde ihr nicht einmal gestattet, ihren Freundinnen einen kurzen Gruß zuzurufen.
»In einem Kerker wäre es gewiss nicht schlimmer als hier«, schimpfte sie vor sich hin, als sie auch an diesem Morgen mangels einer Sitzgelegenheit auf ihrem Bett lag und in der Bibel las, die ihr als einzige Lektüre zugestanden worden war.
Zwar konnte sie auf diese Weise ihre Lateinkenntnisse verbessern, gleichzeitig aber ödete sie die Geschichte der längst verblichenen Patriarchen und Könige mit ihrem ewig gleichen Hader an, und sie vermochte auch in den Evangelien des Neuen Testaments keinen Trost zu finden. Hätte sie in der Zeit Christi gelebt, so hätte dieser ihr gewiss geholfen. Doch der Heiland war vor langer Zeit ans Kreuz geschlagen worden, wieder auferstanden und in den Himmel aufgefahren. Jetzt saß er zur Rechten Gottes als Richter der Toten. Die Belange eines jungen Mädchens wie sie kümmerten ihn längst nicht mehr.
»Ich werde Cirio d’Specchi nicht heiraten, und wenn ich stattdessen ins Kloster gehen muss!«, setzte sie ihre einseitige Unterhaltung fort.
Sie wusste jedoch selbst, dass ihr auch dieser Weg versperrt war. Der Herzog von Gravina hatte diese Heirat beschlossen und ihr Vater darin eingewilligt. Sich zu weigern hieß so lange weiteren Stubenarrest, magere Mahlzeiten und vielleicht sogar Schläge, bis sie zermürbt aufgab und sich wie ein zum Schlachten bestimmtes Schaf in das Haus der d’Specchis führen ließ. Bei dem Gedanken brach sie in Tränen aus und überhörte, wie die Tür geöffnet wurde und ihre Mutter hereinkam.
Flavia Orsini blickte missbilligend auf ihre Tochter hinab. Sie hatte deren letzte, leidenschaftlich ausgestoßene Worte draußen gehört und nahm sich vor, das aufmüpfige Mädchen in seine Schranken zu weisen.
»Du wirst Signore Cirio in dem Augenblick zum Mann nehmen, den dein Vater bestimmt. Hast du mich verstanden? Außerdem bist du selbst schuld, dass du hier herumsitzen musst. Du hast dich entsetzlich schamlos benommen! Heilige Muttergottes, ich sterbe fast bei dem Gedanken, dass du dich Antonio Caraciolo wie eine Hure angeboten hast. Du hättest viel schwerer bestraft werden müssen, doch dein Vater und dein Verlobter sind einfach zu nachsichtig mit dir.«
»Nachsichtig?« Francesca lachte bitter auf. »Der junge d’Specchi hat mich so geschlagen, dass mein Auge heute noch blau ist!« Sie wies auf die verblassende Färbung über ihrer rechten Wange und fuhr mit einem wütenden
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