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Toechter Der Suende

Toechter Der Suende

Titel: Toechter Der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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den Weg vertrat, beendete für den Augenblick sein Sinnieren. »Was ist los? Ich will zur heiligen Messe!«, fragte er in dem Dialekt, den er sich unterwegs angeeignet hatte.
    Der Soldat zog verwundert die Augenbrauen hoch, weil ein Mann, dem man den Tedesco auf hundert Schritt ansehen konnte, sich zwar schwerfällig, aber verständlich in seiner Sprache auszudrücken vermochte.
    »Ihr könnt gleich weiterreiten, Herr. Sie bringen nur einen Toten vorbei, einen armen Kerl, den man aus dem Tiber gezogen hat. Er war ganz nackt, und sein Gesicht ist entstellt. Trotzdem sind einige Leute überzeugt, ihn erkannt zu haben. Es soll sich um einen reichen Grafen aus Neapel handeln, einen gewissen Antonio Caraciolo. Wenn das stimmt, ist dies eine schlimme Sache.«
    »Wieso?«
    »Ein Betrunkener mag von selbst in den Tiber fallen, aber er wird vorher wohl nur selten seine Kleider ausziehen und sich das Gesicht zerschneiden.«
    »Das heißt, es war Mord!«
    Der Soldat nickte mit verbissener Miene. »Das muss schon so sein – und das an einem so hohen Herrn! Das ist ja fast so schlimm wie vor ein paar Monaten, als man Seine Eminenz Kardinal Foscarelli aus dem Tiber geholt hat. Auch ihn hatten die Schufte bis auf die Haut ausgezogen.«
    Der Mann schien sich den Schrecken von der Seele reden zu wollen, und so erfuhr Falko einiges über den Mord an dem Kardinal. Was die Täter betraf, so gab es in der Stadt nur Vermutungen. Es konnte sich ebenso um Räuber handeln wie um Meuchelmörder, die ein Gegner Foscarellis auf diesen angesetzt hatte.
    Falko hörte aufmerksam zu und beobachtete dabei den Zug, der von rechts kommend die Straße querte. Es handelte sich um mehrere Stadtwachen mit dem Zeichen des Papstes und einige Edelleute, die Freunde des Ermordeten gewesen sein mussten oder dies gut heucheln konnten, denn sie zerflossen schier vor Tränen. Der Tote lag in einer hölzernen Kiste auf einem Karren, den zwei Maultiere zogen. Ein Mann in der Tracht eines Schreibers begleitete den Wagen, und diesem folgte einer der Richter, die in Rom Gesetz und Ordnung aufrechterhalten sollten.
    Im Grunde war es ein trauriger Leichenzug für einen jungen Edelmann, der den Worten des Soldaten zufolge seinen fünfundzwanzigsten Geburtstag noch vor sich gehabt hatte.
    »Aber so ist die Welt!«, schloss der Mann seufzend. »Es erwischt immer die Jungen und die Besten. Andere, die es weitaus eher verdient hätten, zur Hölle zu fahren, werden steinalt und dabei auch noch reich und mächtig. Unsereins hingegen darf froh sein, wenn ihm der Sold halbwegs pünktlich ausgezahlt wird oder ihm ein Wirt auch mal einen Becher Wein umsonst hinstellt.«
    Falko bedankte sich mit einer Münze bei dem Mann, verabschiedete sich freundlich und ritt weiter.

3.
    D er Vater hatte Francesca eine Pferdesänfte zugestanden. Dies war gut so, denn mit einer von Männern getragenen Sänfte wäre sie niemals rechtzeitig zur Messe in den Domitilla-Katakomben angekommen. Noch lieber wäre sie allerdings geritten, doch hier in Rom gehörte sich das für ein Mädchen nicht. Auch das war eine der vielen Einschränkungen, über die Francesca sich ärgerte. Begann ein junger Mann eine Liebschaft, sah man es ihm gewöhnlich nach, wenn er nicht gerade ein Fräulein von Stand verführte oder es arg übertrieb. Sie aber sollte keusch leben, bis sie vor dem Altar an ihren Ehemann übergeben worden war.
    Da sie der Heirat mit Cirio d’Specchi nicht entkommen konnte, wünschte sie sich mehr denn je, ihm eine lange Nase drehen zu können, indem sie einem anderen Mann ihre Tugend schenkte. In ihrer Verzweiflung hatte sie bereits an den hübschen Knecht aus dem Bürgerhaus gedacht, das an ihren Palazzo grenzte. Sobald man sie nicht mehr in ihrem Zimmer gefangen hielt, wollte sie nach einer Gelegenheit suchen. Allerdings erschreckte sie der Gedanke an den kalten Stahl in Cirios Händen, denn es sollte kein zweiter Mann ihretwegen sterben.
    Es schien keinen Ausweg zu geben. Du wirst dich dem Willen des Vaters beugen und Cirio d’Specchi den Triumph gönnen müssen, dich als Erster und Einziger zu besitzen, sagte sie sich und kämpfte gegen Tränen an, die Zorn und Verzweiflung ihr in die Augen trieben. Es war einfach ungerecht, dass ihr eigener Wille bei ihrem Vater gar nichts und der eines jungen Mannes, den sie von Herzen verabscheute, alles galt.
    Solcherart grübelnd, bemerkte Francesca kaum, dass sie Rom verließen und auf das freie Feld hinauszogen. Erst als ihre Sänfte etliche Pilger

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