Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
die Brüder ausgeliefert hat.
»Tess muss zu der Zeit gerade mal neun gewesen sein. Oder zehn? In dem Alter kann sich ihre Magie noch nicht gezeigt haben. Bleiben Maura und Sie, und wenn Maura wüsste, dass sie Gedankenmagie beherrscht, dann hätte sie es mir gesagt. Bleiben also nur noch Sie.« Elenas Spiegelbild fixiert mich eindringlich. »Ich habe eine Verpflichtung gegenüber den Schwestern. Ich glaube zwar nicht, dass Maura diejenige ist, die sie wollen, aber ich könnte mir vorstellen, dass Maura nur allzu gern dazu bereit wäre, mit mir zu kooperieren, wenn Sie es nicht tun. Sie kann es gar nicht abwarten, nach New London zu gehen. Sie würde noch heute abreisen, wenn ich es vorschlagen würde , und erst recht, wenn sie wüsste, wie viele Geheimnisse Sie vor ihr haben. Ich mag Maura sehr gern«, fährt sie langsam fort. Ihre schokoladenbraunen Augen beobachten mich die ganze Zeit. »Ich würde nicht wollen, dass ihr irgendetwas zustößt. Doch leider hängen diejenigen, die die Schwesternschaft führen, sehr machiavellistischen Vorstellungen an. Sie würden Maura keinen bleibenden Schaden zufügen, aber sie sind auch nicht darüber erhaben, sie als Köder zu benutzen.«
Als ich mich zu Elena herumdrehe, schlägt mein Herz so heftig, dass ich es hören kann. Genug. »Lassen Sie Maura in Ruhe. Ich bin es. Ich bin diejenige, nach der Sie suchen.«
Elena sieht zu mir hoch. »Das müssen Sie mir erst beweisen. Ich kann Ihnen leider nicht vertrauen, Cate. Ich glaube, Sie würden mich anlügen, sogar jetzt.«
Ich balle die Hände zu Fäusten. »Sie tun so, als wären Sie Mauras Freundin, aber Sie scheren sich doch überhaupt nicht um sie. Das Einzige, woran Ihnen etwas liegt, ist die verdammte Schwesternschaft.«
Elenas Hand schnellt empor, als wäre sie versucht, mich zu ohrfeigen. »Nicht ich bin diejenige, die Maura in Gefahr bringt , Sie sind es. Wenn Sie nur zur Zusammenarbeit bereit wären–«
Meine Nägel schneiden mir Halbmonde in die Handflächen. »Und was soll ich bitteschön tun?«
Elenas Lächeln ist triumphierend und teuflisch zugleich. »Sie könnten damit anfangen, mich heute Nachmittag zu einer Stunde in Gedankenmagie zu treffen. Um halb drei im Rosengarten.«
»Halb drei«, stimme ich zu und verfluche sie dabei. »Und wenn ich beweise, dass ich es kann, lassen Sie Maura und Tess in Ruhe?«
»Soweit es in meiner Macht steht, ja«, erklärt sie, gerissen wie immer.
»Wenn Sie beweisen können, dass Sie die prophezeite Schwester sind, und wenn Sie bereit sind, der Schwesternschaft beizutreten und Ihre Rolle in der Prophezeiung zu erfüllen, werden wir für Sie auf Ihre Schwestern aufpassen.«
Es ist nicht besonders viel, was sie mir da verspricht, aber es ist besser als nichts.
»Gut«, blaffe ich. Was bleibt mir anderes übrig?
Ich sage Mrs O’Hare, dass ich heute aufs Frühstück verzichte. Ich würde Elenas selbstgefälligen Gesichtsausdruck nicht ertragen – nicht ohne ihr das Geschirr entgegenzuschleudern. Auf dem Weg durch die Hintertür nehme ich mir einen Apfel vom Küchentisch. Die Herbstluft draußen ist so knackig wie der Apfel. Laub weht über den Weg und raschelt unter meinen Stiefeln.
Neben einem ungepflegten Beet mit weißen Rosen bleibe ich stehen. Es muss dringend von Unkraut befreit werden. Ich lausche nach dem Geräusch des Hämmerns vom Pavillon, aber wahrscheinlich ist es noch zu früh für Finn. Enttäuscht lasse ich die Schultern hängen. Aber vielleicht ist es auch besser so.
Finn aufzugeben wäre ein großes Opfer . Ist es das, was Brenna vorhergesehen hat? Es ist weit mehr als alles, worum Mutter mich gebeten hat. Ein Leben mit ihm würde zwar auch Opfer erfordern – ich müsste lernen zu kochen, zu nähen und mich mit abgetragenen Kleidern begnügen. Aber wenn ich mit Finn zusammen sein könnte, wäre ein Leben in der beengten Wohnung der Belastras der Himmel auf Erden für mich. Ich könnte immer noch meine Schwestern sehen, ich könnte mit Sachi und Rory zusammen zaubern und meinen Garten besuchen, wenn ich der Stadt und all ihren Klatschmäulern entkommen wollte.
New London dagegen ist so weit weg.
Aber wenn meine Schwestern dort sicher wären ? Was ich möchte, kann nicht länger zählen.
Ich lasse mich auf die Knie fallen, packe das widerspenstige Unkraut an den Wurzeln und ziehe. Fünf Minuten später liegt ein ganzer Haufen davon neben mir auf dem Weg. Das Beet sieht schon sehr viel besser aus, und ich fühle mich um einiges ruhiger. Ich sehe zum
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