Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
heran. »Ist es bei Ihnen in guten Händen?«
Frustriert entgegne ich: »Natürlich! Ich vertraue Ihnen doch auch, dass Sie meine Blumen nicht umbringen! Wir müssen alle etwas wagen.«
Finn neigt den Kopf zur Seite und betrachtet mich ziemlich lange. Schließlich scheine ich seinen Anforderungen zu genügen. »In Ordnung. Warten Sie hier.« Er öffnet die Tür neben der Treppe und verschwindet in der Kammer dahinter. Einen Augenblick später kommt er mit einem Kontobuch wieder, die Art, wie sie in Läden geführt werden. »Kommen Sie mit.«
Als ich ihm die gewundenen Reihen von Büchern entlang folge, sind meine Nerven zum Zerreißen gespannt. Schließlich bleibt er vor einem Tisch in der hintersten Ecke des Ladens stehen. »Wissen Sie, in welchem Jahr sie verhaftet wurde?«
»Nein. Na ja – vor weniger als sechzehn Jahren, aber mehr als zehn. Wenn sie meine Patentante war, muss sie bei meiner Taufe anwesend gewesen sein, aber ich kann mich überhaupt nicht mehr an sie erinnern.«
»Die Einträge sind selbstverständlich chronologisch geordnet«, erklärt Finn. Er lehnt sich gegen ein Bücherregal, während ich mich auf dem Schreibtischstuhl niederlasse.
»Selbstverständlich«, ahme ich ihn nach. Ich sehe auf und bemerke, wie er mich anstarrt. »Was?«
»Ihre Haare.« Meine Kapuze ist heruntergerutscht, sodass die um meinen Kopf gelegten Zöpfe zu sehen sind. Maura hat sie mir heute Morgen geflochten, als sie etwas aus Elenas Modezeitschriften ausprobieren wollte. »Das sieht schön aus. Steht Ihnen gut.«
»Danke.« Ich werde rot und schaue wieder auf das Kontobuch. »Wollen Sie die ganze Zeit hier herumstehen? Ich verspreche Ihnen, dass ich nicht damit weglaufen werde.«
»Nein, ich lasse Sie jetzt allein.« Aber er zögert noch. »Mutter hätte es lieber, wenn die Bruderschaft nichts von diesem Register erfährt. Wenn Sie die Türglocke hören, sollten Sie es besser in die Schublade tun und sich mit etwas anderem beschäftigen. Zu Ihrer eigenen Sicherheit und auch zu unserer.«
»Ich – ja. Natürlich. Danke.«
Ich warte, bis er gegangen ist. Auf dem knarrenden Holzfußboden ist jeder einzelne seiner Schritte zu hören. Es ist so still hier drin, dass ich kaum denken kann – ganz anders als die Stille draußen, wo immer irgendwelche Insekten surren, Vögel singen und zanken, und der Wind durch die Bäume weht. Dies ist eine unheimliche, tote Stille.
Als ich das Buch aufschlage, fällt der Deckel mit einem lauten Knall auf den Tisch. Ich blättere sechzehn Jahre zurück bis zum Jahr 1880 und überfliege die Namen in der linken Zeile.
Margot Levieux, 16 Jahre, und Cora Schadl, 15 Jahre, steht in der ersten Zeile. 12. Januar 1880. Verbrechen: beim Küssen in den Heidelbeerfeldern der Schadls erwischt. Der abweichenden Begierde angeklagt. Strafe: Harwood, für beide.
Für den Rest ihres Lebens nach Harwood geschickt, weil sie ein anderes Mädchen geküsst haben? Das scheint mir eine übertrieben harte Strafe zu sein.
Das Register ist faszinierend! Ich habe die Anklagen und Urteile der Bruderschaft noch nie so klar vor Augen gesehen. Normalerweise wird nur hinter vorgehaltener Hand davon geredet, wie vom Schwarzen Mann unterm Bett.
Als ich das Jahr 1886 zur Hälfte durchhabe, stoße ich auf den Namen, den ich gesucht habe.
Schwester Zara Roth, 27 Jahre. 26. Juli 1886. Verbrechen: Hexerei (bekannt). Des Besitzes verbotener Bücher über Magie angeklagt sowie der Gerichtsspionage. Ankläger: Bruder Ishida und Bruder Winfield. Strafe: Harwood.
Kein bisschen mehr als das, was ich ohnehin schon beim Nachmittagstee der Ishidas erfahren habe. Meine Patentante hat es geschafft, einen Brief aus dem Irrenhaus für Kriminelle herauszuschmuggeln. Nur – woher will sie wissen, dass wir in Gefahr sind? Hat Brenna vielleicht etwas vorhergesehen?
Ich lese weiter. Mrs Belastras Aufzeichnungen umfassen die Verurteilung von Mädchen hier in Chatham wie auch das, was sie von Prozessen in nahe liegenden Städten erfährt. Die große Mehrheit der Mädchen wird zur Küste geschafft und zu harter körperlicher Arbeit verurteilt. Einige wenige, wie Brenna, werden nach Harwood geschickt. Einige andere werden einfach nur mit einer Verwarnung entlassen, doch Mrs Belastra bemerkt, dass alle von ihnen in der Folge weggezogen oder verschwunden sind.
Was ist mit diesen Frauen passiert? Nach einem solchen Prozess weiter in Chatham zu leben, wäre schwierig, denn die wachsamen Augen der Brüder – und ihrer Spione – sind
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