Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
er seinen Weg zum Kramladen bereits fortgesetzt. Es wäre wohl kaum angemessen, ihm die Straße hinterherzulaufen.
Eigentlich hätte ich gerade Unterricht im Malen mit Wasserfarben, aber ich habe Elena gesagt, dass mich die Obstschale nicht genug inspiriert und ich lieber im Garten malen würde. Sie war einverstanden – Landschaftsmalerei ist anscheinend gerade sehr in Mode –, und da habe ich mich zur Scheune hinübergeschlichen und John gefragt, ob er mich in die Stadt mitnehmen kann. Denn da war noch ein Name außer Zaras, der immer wieder in Mutters Tagebuch auftauchte. Eine Person, der sie ihre Geheimnisse anvertraut hatte. Marianne Belastra.
»Könnten Sie bitte die Tür schließen?«
Das ist Finns Stimme. Verflixt. Ich hatte angenommen, dass er am Pavillon arbeiten würde.
Ich trete ein und mache die Tür hinter mir zu.
Belastras Laden ist der Albtraum eines jeden Feuerwehrmannes. Labyrinthartige Bücherregale reichen vom Boden bis an die Decke. Die Regale sind immer voll, egal, wie viele Bücher von der Bruderschaft verboten oder zensiert sind. Es riecht wie in Vaters Arbeitszimmer: süßer Pfeifenrauch vermischt mit holzigem Papiergeruch. Staubpartikel fliegen durch die einfallenden Sonnenstrahlen im Eingangsbereich, aber der hintere Teil des Ladens liegt im Dunkeln.
Ich habe mich hier noch nie wohlgefühlt. Ich verstehe nicht, wie Maura und Vater Stunden damit zubringen können, liebevoll über Buchrücken zu streichen und ehrfurchtsvoll alte Texte durchzublättern, während sich ihre Lippen und Augen in stiller Anbetung bewegen.
Ich verstehe ihr Gotteshaus genauso wenig wie das der Brüder.
Finn Belastra kommt hinter einer Reihe von Bücherregalen hervor. Heute trägt er nicht nur ein Hemd, sondern auch ein richtiges Jackett. »Kann ich Ihnen helfen – oh, guten Tag, Miss Cahill.«
Seit unserer Begegnung gestern am Apfelbaum bin ich etwas schüchtern, und ich mache einen Schritt zurück auf die Tür zu. »Guten Tag, Mr Belastra. Ist Ihre Mutter da?«
Finn schüttelt den Kopf. »Sie fühlt sich nicht gut. Sie hat Kopfschmerzen. Ich kümmere mich heute um den Laden. Kann ich Ihnen mit etwas helfen?« Er sieht durch einen Stapel Bücher auf der Ladentheke. »Für Ihren Vater ist nichts dabei. Hatte er etwas bestellt?«
Es war schwierig genug, mich von meinen Schwestern und Elenas endlosen Benimmstunden fortzustehlen, um Marianne sehen zu können. Es ist mir nicht in den Sinn gekommen, dass, wenn ich schließlich den Mut zusammennehme, hierherzukommen, sie nicht da sein könnte, um meine Fragen zu beantworten.
»Ich bin nicht wegen Vater hier.« Ich versuche, meinen Ärger zu unterdrücken. Finn kann schließlich nichts dafür, dass seine Mutter krank ist oder dass der heutige Tag anders ist als jeder zuvor, wenn ich hier war.
»Oh.« Finn schenkt mir ein gewinnendes Lächeln. »Sind Sie wegen Arabella hier?«
»Nein. Ich hatte gehofft – meinen Sie, ich könnte Ihre Mutter vielleicht kurz sprechen, nur für einen Moment? Es ist wichtig.«
Finn schiebt sich die Brille auf der Nase hoch. »Ich weiß ja, dass Sie nicht besonders viel Vertrauen in mich als Gärtner setzen, aber ich kann Ihnen versichern, dass ich ein guter Buchhändler bin. Wonach suchen Sie?«
Ich kann ihn schlecht nach Büchern über Magie fragen. Aber wenn ich mich jetzt umdrehe und gehe, war mein Ausflug ganz umsonst. Wer weiß, wann ich das nächste Mal die Gelegenheit bekomme, ohne meine Schwestern in die Stadt zu fahren?
»Ich habe gehört, dass Sie ein Prozessregister führen.« Die Worte sind schneller gesagt, als ich über die Folgen nachdenken kann. Was, wenn Finn überhaupt nicht weiß, dass seine Mutter so etwas besitzt?
Finn schaut mich mit zugekniffenen Augen an. »Wo haben Sie das gehört?« Seine Stimme klingt hart. »Und auch wenn wir so etwas hätten – was würde ein Mädchen wie Sie damit anfangen wollen?«
»Ein Mädchen wie ich? Was für ein Mädchen bin ich denn?«, frage ich verletzt. »Ein Mädchen, das nicht den ganzen Tag mit der Nase in einem Buch herumläuft? Habe ich kein Recht, mich für – Heimatkunde zu interessieren?«
»Das habe ich nicht gemeint«, sagt Finn schnell. »Es ist nur nichts, das wir aus Jux und Dollerei herausgeben, das ist alles. Warum wollen Sie es denn sehen?«
»Ich hatte eine Patentante«, antworte ich zögerlich. »Sie und meine Mutter waren Schulfreundinnen. Aber sie wurde wegen Hexerei verhaftet. Ich wollte etwas über sie nachlesen.«
Finn tritt näher an mich
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