Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Spotswood
Vom Netzwerk:
– würde ein richtiger Herr mich nicht auch ignorieren und weitergehen, um mir die Peinlichkeit zu ersparen?
    Ich winke ihm zaghaft zu.
    Finn schmunzelt. »Sind Sie jetzt eine Baumelfe?«
    »Ich tue so, als wäre ich wieder zwölf.« Ich fahre mir verzweifelt durch die Haare und wünschte, ich hätte nicht all die Haarnadeln weggeworfen. Ich muss aussehen wie eine Vogelscheuche. Er dagegen sieht immer gut aus, sogar wenn er mit Sägespänen vom Pavillon eingedeckt ist, seine Haare lächerlich abstehen und seine Brille verbogen ist.
    Er setzt die Leiter ab, die er getragen hat. »Zwölf war nicht gerade mein bestes Alter. Ich wusste immer alles besser und habe regelmäßig den Hintern versohlt bekommen.«
    »Zwölf war himmlisch!«, protestiere ich. »Keinerlei Verantwortung. Ich konnte alles tun, wozu ich Lust hatte.«
    »Wie zum Beispiel?«, fragt Finn und lehnt sich an den knorrigen Baumstamm.
    »Durch die Felder laufen. Auf Bäume klettern. Piratengeschichten lesen. Im Teich planschen und so tun, als wäre ich eine Meerjungfrau!« Ich muss lachen, als ich mich daran erinnere.
    »Sie würden eine sehr bezaubernde Meerjungfrau abgeben.« Er schaut mich bewundernd an. »Werfen Sie mir einen Apfel herunter?«
    Ich pflücke einen Apfel und werfe ihn Finn zu. Er duckt sich, und der Apfel fällt ins Gras.
    »Sie sollten ihn fangen«, erkläre ich, und dann schwinge ich ein Bein über den Ast und versuche, auf dem unteren Ast Halt zu finden.
    »Sie haben mich mit Ihrem perfekten Wurf überrascht. Das war – «
    Ich funkele ihn böse an. »Wenn Sie jetzt sagen, das war ›für ein Mädchen ziemlich gut‹, werde ich es Ihnen niemals verzeihen.«
    »Das würde mir im Traum nicht einfallen. Sie machen mir Angst«, lacht er.
    »Ärgern Sie mich nicht«, protestiere ich und klammere mich schon wieder an den Baumstamm. »Ich fühle mich schon gedemütigt genug.«
    »Warum? Brauchen Sie Hilfe? Soll ich Sie auffangen?«
    »Garantiertnicht«,sageichmithocherhobenemKinn.Ichwillnurnicht,dassermirunterdieRöckeguckenkann.Odersieht,wieichderLängenachhinschlage,fallsessoweitkommensollte.»DrehenSie sich um.«
    »Tun Sie sich nicht weh.« Finn hört sich ernsthaft besorgt an.
    »Werde ich nicht. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich auf einen Baum geklettert bin. Jetzt drehen Sie sich um.«
    Finn dreht mir gehorsam den Rücken zu, die Hände in den Hosentaschen. Ich halte mich am Ast fest und lasse mich hinunterfallen. Der Schmerz fährt mir durch die Beine, als ich auf dem Boden lande. »Autsch«, japse ich.
    Finn dreht sich herum. »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja. Es ist nur – es tut mir leid.« Ich kämme mir mit den Fingern Blätter aus den Haaren. Mein neues Kleid ist ruiniert, die Spitze löst sich vom Saum, und meine Strümpfe sind zerrissen.
    Finn beugt sich vor und zupft mir ein Blatt aus dem Haar. »Wofür entschuldigen Sie sich?«
    Ich verberge das Gesicht in den Händen. Eine Stunde. Ich wollte nur für eine Stunde unsichtbar sein, aber noch nicht einmal das ist möglich. »Ich – nun. Ich bin ein bisschen zu alt dafür, auf Bäume zu klettern, oder nicht?«
    »Sind Sie das? Es ist Ihr Baum, oder? Ich weiß nicht, warum Sie nicht darauf klettern sollten, wenn es Ihnen Spaß macht.« Finn richtet die Leiter unter dem Baum auf.
    »Ich glaube nicht, dass die Bruderschaft es gutheißen würde. Ich sehe aus wie eine Landstreicherin.«
    »Sie sehen wunderschön aus«, widerspricht er mir. Dieses Mal wird er bis über beide Ohren rot. »Und die Bruderschaft würde alle Farbe und Freude aus der Welt saugen, wenn sie es könnte.«
    Ich bin sprachlos, fasziniert. Er fährt sich durch sein zerzaustes kupferfarbenes Haar. »Ich – jetzt ist es an mir, mich zu entschuldigen. Ich hätte das nicht sagen sollen.«
    Das Gras unter meinen Fußsohlen fühlt sich kühl an. »Haben Sie aber. Denken Sie das wirklich?«, frage ich leise.
    Finn sieht mich an, seine Augen hinter der Brille sind ganz ernst. »Ich glaube nicht, dass der Herr will, dass wir unglücklich sind, Miss Cahill. Ich glaube nicht, dass Unglücklichsein eine Voraussetzung für unser Seelenheil ist. Das ist das, was ich denke.«

Kapitel 8
    Ich bin nicht nervös. Nicht, bis ich am nächsten Morgen die schwere Tür zu Belastras Buchladen aufstoße. Dann verspüre ich auf einmal den plötzlichen, lächerlichen Drang, die Röcke zu raffen und wegzurennen. Ich blicke mich nach der Kutsche um, aber als John mich sicher im Laden – oder nah genug davor – gesehen hat, hat

Weitere Kostenlose Bücher