Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
sich auf. »Auch Arabella hat ab und zu Hilfe gebraucht.«
Armer, fehlgeleiteter, ritterlicher Mann. Wenn ich so verrückt wäre, mich ihm anzuvertrauen, ihm zu sagen, was ich bin, dürfte er nichts weiter mit mir zu tun haben. Nicht, wenn er seine Familie beschützen will.
»Sie … Sie waren mir schon eine sehr große Hilfe«, stammele ich und setze meine Kapuze wieder auf. »Vielen Dank, Mr Belastra.«
Er betrachtet mich eine Weile, als würde er versuchen, mich wie eines seiner Bücher zu verstehen. Zum Glück stellt er keine weiteren Fragen, die ich nicht beantworten kann – oder werde.
»Keine Ursache, Cate.«
Kapitel 9
Am nächsten Nachmittag nehme ich meine Wasserfarben und gehe unter dem Vorwand, mein Bild für Elena fertig malen zu wollen, hinaus in den Garten.
Ein Goldzeisig schreit in der Nähe auf und erhebt sich mit verärgertem Flügelschlagen in die Lüfte. Er dreht eine Runde, bevor er sich auf einer Eiche wieder niederlässt.
Mir ist auch nach Schreien zumute.
Stattdessen gehe ich dem Geräusch des Hämmerns am Hang entgegen. Finn sitzt auf der obersten Stufe der Leiter und schlägt gerade einen Dachbalken mit Nägeln fest. »Mr Belastra!«, rufe ich.
Finn dreht sich überrascht nach mir um, wobei seine abrupte Bewegung die Leiter ins Wanken bringt. Ich will ihn warnen, aber es ist schon zu spät – die Leiter kippt zur Seite und reißt ihn mit sich. Finn rudert noch mit den Armen, aber greift ins Leere. Er fällt und landet unglücklich auf seinem Knöchel.
Ich werfe meine Wasserfarben und den Skizzenblock ins Gras und laufe zu ihm hinüber, dabei verfluche ich mein verdammtes Korsett.
»Ist alles in Ordnung?« Ich hocke mich neben ihn.
Er setzt sich auf, aber er ist kreidebleich unter den Sommersprossen. Er wendet den Kopf ab und flucht wie ein Seemann.
Gespielt entsetzt schnappe ich nach Luft. »Mr Belastra, ich wusste gar nicht, dass Sie solche Wörter kennen!«
Er versucht, zu lächeln, aber es kommt eher eine Grimasse dabei heraus. »Ich habe einen großen Wortschatz.«
»Soll ich John holen? Brauchen Sie Hilfe?«
»Es geht schon«, schnauft er. Von oben kann ich sehen, wie sein Nacken unter dem Kragen ganz rot wird. Auch da hat er Sommersprossen.
Ich frage mich, wie viele Sommersprossen er wohl hat. Sind sie überall oder nur da, wo die Sonne hinkommt?
»… Ihren Arm reichen?«
Ich bin zu beschämt, ihm in die Augen zu blicken. »Was?« Guter Gott, warum stelle ich mir Finn Belastra ohne Bekleidung vor? Ich bin ganz durcheinander durch die Aufregung des Unfalls.
»Könnten Sie mir Ihren Arm reichen? Könnten Sie mir aufhelfen?«, fragt er.
»Oh. Ja!« Er fasst nach meiner Schulter und hievt sich hoch, wobei er eine ganze Reihe weiterer Flüche loslässt.
Ich greife noch nach seinem Mantel, der zusammengelegt auf dem Boden des Pavillons liegt, dann gehen wir langsam zurück durch die Gärten, Finn einen Arm um meine Schultern geschlungen und auf mir lehnend. Verstohlen beobachte ich ihn aus den Augenwinkeln. Jetzt, wo ich weiß, wie entschieden er seine Mutter und Clara beschützen würde –
Ich kann nicht anders, als ihn in einem anderen Licht zu sehen. Wenn ich ihn vorher bereits attraktiv fand, dann tue ich es jetzt umso mehr. Trotzdem, ich kann mich nicht in den Gärtner verlieben. Das klingt wie aus einem von Mauras Liebesromanen. Und da die Brüder den Buchladen so genau beobachten, würde jede Verbindung mit den Belastras uns nur noch mehr ihren prüfenden Blicken aussetzen.
Finn ertappt mich dabei, wie ich ihn anstarre. »Keine Sorge, ich falle nicht in Ohnmacht«, scherzt er.
»Das hoffe ich. Ich glaube nicht, dass ich Sie tragen könnte.«
Wir humpeln zur Küchentür. Finn lehnt sich gegen die Steinmauer, während ich nach Mrs O’Hare rufe. Sie unterbricht ihre Vorbereitungen des Abendessens – was vielleicht das Beste ist – und eilt herbei. Die Küche riecht nach frisch gebackenem Brot.
»Mr Belastra ist von der Leiter gefallen«, erkläre ich. Wir setzen ihn in Mrs O’Hares alten, braun geblümten Sessel vor dem Feuer.
Mrs O’Hare schnalzt mit der Zunge. »Oh je. Soll ich Dr Allen holen lassen?«
Finn schüttelt den Kopf. »Nein, danke. Lassen Sie mich nur meinen Stiefel ausziehen und mir den Schaden ansehen.«
»Natürlich. Ich hole Ihnen erst einmal einen Tee«, sagt sie und fährt ihm wie einem Kind durchs Haar. Mrs O’Hare hat keinerlei Berührungsängste.
Finn zieht seinen Arbeitsstiefel aus und wackelt in den grauen Socken mit den
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