Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
Flur geht auf. Ich muss Lily nur ansehen, um sofort zu begreifen, dass etwas nicht stimmt.
Ich befreie mich von Paul. »Was ist?«
»Die Brüder sind hier.«
Ich erstarre, aber nur für eine Sekunde.
Maura oder Tess? Was können sie getan haben, als ich nicht hingesehen habe?
Warum habe ich nicht besser auf sie aufgepasst?
»Danke, Lily«, sage ich, und meine Stimme ist erstaunlich fest. Ich würde gern zu Finn hinübersehen, aber ich wage es nicht. Wenn ich es tun würde, könnte es passieren, dass ich ihn um seine Pistole bitte.
»Cate, deine Haare!« Mrs O’Hare kommt herübergeeilt, um sie mir zu richten. Als sie fertig ist, streiche ich das noch feuchte Gras von meinem Rocksaum und straffe die Schultern. Ich ziehe etwas Kraft aus dem mutigen Lächeln, das Mrs O’Hare aufgesetzt hat, dann folge ich Lily aus dem Raum.
Bruder Ishida und Bruder Ralston warten im Wohnzimmer auf mich. Bruder Ralston ist ein bärtiger Mann mit einem dicken Bauch und einer Stirn, die so faltig ist, dass sie aussieht wie ein im Frühjahr bestelltes Feld. Er unterrichtet Literatur und Aufsatzschreiben an der Jungenschule und ist ein Freund von Vater.
»Guten Tag, Miss Cate«, sagt er.
»Guten Tag, Sir.« Ich knie vor ihnen nieder.
Bruder Ishida legt seine mollige, weiche Hand auf meinen Kopf. »Der Herr segne und behüte dich heute und den Rest deiner Tage.«
»Dank sei dem Herrn.« Ich stehe auf und beiße mir auf die Zunge. Ich würde gern fragen, warum sie hier sind. Aber das wäre unverschämt.
Sie lassen mich eine gute Minute lang warten.
»Haben Sie irgendeine Korrespondenz mit Zara Roth geführt?«, fragt Bruder Ishida schließlich.
Ich hebe den Kopf, ein Gefühl der Erleichterung durchströmt mich. »Nein, Sir«, lüge ich. »Ich war mir noch nicht einmal dessen bewusst, dass ich eine Patentante habe, bis Mrs Ishida mir von ihr erzählt hat. Ist sie nicht in Harwood? Ich dachte, den Patientinnen dort ist es gar nicht gestattet, Briefe zu schreiben.«
»Das ist richtig, aber es hat in der Vergangenheit gewissenlose Krankenschwestern gegeben, die dazu bereit waren, Briefe aufzugeben. Sie haben also keinerlei Kontakt mit ihr gehabt?«
Ich mache große Augen. »Nein, Sir. Niemals.«
»Wenn Sie von ihr hören sollten – wenn sie versuchen sollte, Sie irgendwie zu kontaktieren –, müssen Sie es uns umgehend mitteilen«, ermahnt mich Bruder Ralston.
Ich falte die Hände und senke meinen Blick. »Selbstverständlich, Sir. Ich würde es Ihnen sofort sagen.«
»Sie war eine gottlose Frau, Miss Cahill. Eine Hexe, die sich als frommes Mitglied der Schwesternschaft ausgegeben hat. Sie hat gegenüber unserer Regierung und gegenüber dem Herrn Hochverrat begangen. Ich weiß wirklich nicht, warum Ihre Mutter, der Herr habe sie selig, solch eine Person zu Ihrer Patentante auserwählt hat.« Bruder Ishida sieht mich mit seinen dunklen Augen an, als wäre ich durch die Beziehung zu ihr irgendwie verdorben.
Ich sehe zu dem Familiengemälde auf – von dem Mutter gelassen und wunderschön herunterblickt – und schüttele traurig den Kopf. »Ich weiß es auch nicht, Sir. Mutter hat sie nie erwähnt.«
»Wir hoffen, es war nur weibliche Schwäche, die sie dazu veranlasst hat«, sagt Bruder Ralston. »Das verführerische Flüstern des Teufels versteckt sich gern in der Stimme von Freundinnen, Miss Cate. Sie müssen immer auf der Hut sein. Den falschen Leuten zu vertrauen, kann Sie auf dunkle Abwege führen.«
»Wir hoffen sehr, dass Sie nicht in die Fußstapfen Ihrer Patentante treten«, sagt Bruder Ishida. »Wir haben bemerkt, dass Sie gestern in Belastras Buchladen waren.«
Ich zucke innerlich zusammen. Sind sie mir etwa gefolgt? Warum sollten sie mir folgen? Aber Bruder Ralston macht eine Handbewegung, als wolle er ein scheues Fohlen beruhigen. »Wir beobachten seit einiger Zeit das Kommen und Gehen des Ladens. Es geziemt sich nicht für eine junge Dame Ihres Ranges, an solchen Orten zu verkehren, Miss Cate. Die Gesellschaft eines Mädchens ist entscheidend für ihren Ruf.«
»Ich habe doch nur etwas für Vater erledigt«, lüge ich.
»Sie haben nicht einmal irgendwelche Päckchen mitgenommen«, sagt Bruder Ishida.
»Ich dachte, Ihr Vater wäre in New London«, fügt Bruder Ralston hinzu.
Himmel, wir werden wirklich überwacht. Ich versuche, mir schnell etwas einfallen zu lassen. »Ich habe eine Nachricht überbracht. Finn Belastra ist unser neuer Gärtner. Wir sind ins Gespräch gekommen und … « Ich hoffe nur, sie
Weitere Kostenlose Bücher