Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
Elena zu, sie bewundert sie, aber ich bin diejenige, die sich die ganze Zeit Sorgen macht, wie ich sie vor Gefahren beschützen kann.
Nur – welche Entscheidung würde weniger Gefahr für sie bedeuten? Soll ich Paul heiraten und wegziehen, sodass ich meine Schwestern nur ein- oder zweimal im Jahr sehen kann und ich sie Elenas Führung überlassen muss? Oder soll ich besser hier in Chatham bleiben und mich von den Brüdern wie ein Siegerfohlen verheiraten lassen, sodass ich auf meine Schwestern aufpassen kann und jederzeit bereit bin, meine Gedankenmagie einzusetzen, wenn sie unter Verdacht geraten?
Keine der beiden Möglichkeiten fühlt sich annehmbar an.
Auf einmal höre ich ein Knacken, das klingt, wie wenn im März das Eis auf dem zugefrorenen Teich bricht. Das Fensterglas unter meinen Handflächen ist von winzigen Rissen durchzogen.
Ich atme tief ein. Wenn ich in der Küche die Kontrolle verloren hätte, vor Finn und Paul und Mrs O’Hare –
Ich mag gar nicht daran denken. Ich muss vorsichtiger sein.
» Renovo «, flüstere ich. Und das Glas ist wieder ganz.
In der Küche werde ich mit einem Haufen Fragen begrüßt. Pauls mit Suppe bespritzter Gehrock hängt über einer Stuhllehne, und er geht in Hemdsärmeln und seiner beigen Weste unruhig auf und ab. »Was wollten sie?«, will er wissen.
Mrs O’Hare sieht vom Tisch auf, wo sie schon wieder Brotteig knetet, obwohl ein frischer Laib auf der Fensterbank liegt. »Ist alles in Ordnung, Cate?«
Aber ich sehe nur Finn an, der immer noch auf dem Sessel am Feuer sitzt. Im Gegensatz zu den anderen sitzt er ganz ruhig da, obwohl sein dickes Haar ein wenig zerzauster ist als vorher, als ob er wieder mit den Händen hindurchgefahren wäre. Doch sein Ausdruck ist entspannt. Berechnend. Als wenn er kopfrechnen würde – oder darüber nachdenken, wie er mir helfen könnte, wenn ich in Schwierigkeiten stecken sollte.
»Es war nichts weiter. Es ist alles in Ordnung«, behaupte ich.
Paul tritt näher an mich heran. »Cate, die Brüder kommen nicht einfach nur so – «
Ich drehe mich zu ihm um und explodiere vor Wut. »Ich sagte, es war nichts weiter!«
Abwehrend hält er die Hände hoch. »Ist ja schon gut.« Ich weiß, dass er mir nicht glaubt, aber was soll ich anderes sagen? Dass die Brüder mich verheiraten wollen, damit ich nicht so lästig werde wie meine Patentante, und ob er mir bitte helfen könnte? Es ist demütigend.
»John müsste die Kutsche inzwischen so weit haben«, sagt Finn. Er zuckt vor Schmerz zusammen, als er aufsteht. Mrs O’Hare hat ihm ihren Spazierstock geliehen. »Vielen Dank noch mal.«
Ich versuche, zu lächeln, aber es will mir nicht richtig gelingen. »Ich begleite Sie noch zur Tür.«
Finn räuspert sich. »Schon in Ordnung. Ich komme zurecht.« Er humpelt in Richtung Tür.
»Setz dich und trink einen Tee mit mir. Du siehst erschöpft aus«, drängt mich Paul, während er schon einen Stuhl für mich heranzieht.
»Gleich. Ich bringe Mr Belastra erst noch raus.« Ich laufe an Finn vorbei und aus der Küche, bevor einer von beiden noch etwas dagegen sagen kann. Ich werde mich noch früh genug den Anweisungen eines Mannes beugen müssen; jetzt werde ich es jedenfalls noch nicht tun.
Ich bin bereits mehrere Meter den Gartenweg hinunter, als Finn mich einholt. »Ich hätte auch allein hinausgefunden, wissen Sie. Ich möchte nicht, dass Sie meinetwegen Ärger mit Ihrem Verlobten bekommen.« Den Blick auf den Boden gerichtet, stützt er sich auf den Spazierstock.
»Er ist nicht mein Verlobter«, blaffe ich ihn an und pflücke eine Schwarzäugige Susanne. Was für Andeutungen Paul wohl in meiner Abwesenheit gemacht hat?
Sechs Wochen. Viel zu wenig Zeit. Noch vor sechs Wochen hatte ich weder eine Patentante noch eine Gouvernante; ich wusste nichts von dieser Prophezeiung; ich kannte Finn nicht einmal genug, um ihm Guten Tag zu sagen.
»Ach so? Ähm … nun. Tut mir leid. Da habe ich wohl die falschen Schlüsse gezogen.« Finn lächelt.
»Anscheinend.« Ich reiße einzelne Blütenblätter von der Blume in meiner Hand – er liebt mich, er liebt mich nicht – und schiebe ein leichtes Schuldgefühl beiseite. Ich habe Paul nichts versprochen. Ich habe lediglich gesagt, ich würde über seine Absicht nachdenken, und das tue ich auch. »Die Brüder – sie haben mich gefragt, warum ich bei Ihnen im Laden war. Sie wissen, dass ich da war und für wie lange und dass ich kein Päckchen dabeihatte, als ich gegangen bin. Sie beobachten den
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