Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
wäre ich beinahe zusammengezuckt. »Bitte, denken Sie darüber nach. Das Kloster in New London ist wunderschön und sehr sicher. Auch wenn Sie nicht die drei Schwestern sein sollten, würden wir Sie dort willkommen heißen. Und wenn Sie es sind – dann gibt es keinen anderen Ort auf der Welt, an dem Sie sicherer wären.«
Ich stehe auf, denn ich habe das dringende Bedürfnis, Distanz zwischen uns zu schaffen. Mein Vertrauen ist nicht so leicht zu gewinnen wie Mauras. »Warum denken Sie, dass wir es sind?«
Sie lächelt. »Lassen Sie es mich so sagen: Ich habe eine sehr starke Vermutung, dass eine von Ihnen Gedankenmagie beherrscht. Ihre Mutter konnte es, nicht wahr? Sogar innerhalb der Schwesternschaft ist das eine äußerst seltene und gefürchtete Gabe. Sie sind vielleicht nicht dazu fähig – oder vielleicht doch –, aber diejenigen, die es sind, lernen sehr schnell. Ich würde gern versuchen, es Ihnen beizubringen. Ihnen allen dreien.«
»Nein.« Ich gehe zur Tür. »Ich will nicht, dass Sie meinen Schwestern so etwas beibringen!«
Elena ist ein paar Zentimeter kleiner als ich, aber so wie sie mich ansieht, bringt sie es fertig, dass ich mich fühle wie ein trotziges Kind. »Cate. Gedankenmagie hat unglückliche Begleiterscheinungen, wenn sie zu oft angewendet wird, das stimmt. Aber wenn verantwortlich damit umgegangen wird, ist sie grundsätzlich nicht gefährlicher als irgendeine andere Art von Magie. Das ist nur die Paranoia der Brüder. Gedankenmagie kann eine Hexe vor denen beschützen, die ihr schaden wollen. Ihre Schwestern haben ein Recht darauf, zu wissen, wozu sie fähig sind. Es könnte sie eines Tages retten.«
»Catherine Anna Cahill!«, schreit Maura. »Wir werden zu spät kommen!«
Elena lacht. »Denken Sie darüber nach, was ich gesagt habe, Cate. Ich weiß, dass Sie daran gewöhnt sind, die Dinge für sich allein zu entscheiden, aber das müssen Sie nicht mehr. Wir sind da, um Ihnen zu helfen.«
Bruder Sutton leitet heute die Sonntagsschule. Er ist groß, seine Haut hat die Farbe von Walnüssen, und er hat kurzes, struppiges Haar. Seine Stimme ist satt und melodiös, und er lächelt und gestikuliert, während er spricht, wie ein Schauspieler aus dem jetzt nicht mehr existierenden Theater. Wenn er nicht über die Sünden der Gedankenmagie predigen würde, könnte ich es fast genießen, ihm zuzuhören. Es beunruhigt mich, dass das Thema jetzt zwei Wochen am Stück aufgebracht wurde. Dieses Mal hat Hana Ito ihn gefragt, warum ein Mädchen jemals etwas so Schlimmes tun würde.
»Vielleicht scheint diese Art der Magie am Anfang gar nicht so falsch zu sein. Nehmen wir mal an, ihr rauft euch mit eurem Bruder und ihr werft aus Versehen die Porzellanvase eurer Großmutter zu Boden. Das wäre nicht besonders damenhaft, aber solche Dinge passieren.« Bruder Sutton zeigt Nachsicht mit unseren mädchenhaften Fehlern und lächelt. Sein Blick ist herzlich. »Nehmen wir an, eure Großmutter ist verstorben und die Vase ist eine geschätzte Erinnerung an sie. Ihr habt Angst, dass es eurer Mutter das Herz bricht. Angst, bestraft zu werden. Also lügt ihr und sagt, es war euer Bruder, der die Vase umgeworfen hat. Anstatt zu lügen – was selbst schon schlimm genug ist, Mädchen, ihr dürft eure Eltern niemals anlügen –, würde eine Hexe vielleicht Gedankenmagie anwenden. Die Erinnerung ihrer Mutter an die Vase einfach komplett auslöschen. Es würde dem Mädchen die Bestrafung ersparen und der Mutter den Kummer. Vielleicht glaubt die Hexe sogar, dass sie damit etwas Gutes tut.«
Ich starre auf die Kirchenbank vor mir, auf die blonden Locken von Elinor Evans, die schwingen, während sie nickt, und mir ist ganz schlecht vor lauter Schuldgefühlen. Mutter hat mir in den Monaten, bevor sie gestorben ist, beigebracht, wie ich Gedankenmagie anwenden kann, und mich an ihr selbst üben lassen. Ich kann mich noch gut an ihren Gesichtsausdruck erinnern, als sie erkannte, wozu ich fähig bin – eine Mischung aus Stolz und Angst.
Die Brüder tun so, als ob Gedankenmagie etwas ganz Gewöhnliches wäre, als ob überall um uns herum Hexen Gedankenmagie praktizieren würden und wir wachsam sein müssten. Aber wenn ich Elena glauben soll, dann ist es eine seltene Gabe. Wenn es insgesamt nur noch ein paar Hundert Hexen gibt, wie viele von uns mögen es können? Dreißig? Zehn? Weniger? Da war Mutter. Zara. Elena. Und ich.
»Ihr denkt vielleicht, dass es nicht so schlimm ist, eine kleine Erinnerung auszulöschen.
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