Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
schwingt?
Mein Herzschlag setzt aus, als die Kammertür geöffnet wird und die schweren Schritte näher kommen. Ich halte die Luft an, die Lunge schmerzt mir in der Brust. Finn ist mucksmäuschenstill hinter mir. Das einzige Geräusch ist das schnelle, unregelmäßige Schlagen meines Herzens.
Aber dann bewegen sich die Schritte schon wieder fort, und die Tür schlägt hinter ihnen zu.
Erst als ich das Salz schmecke, bemerke ich, dass mir Tränen die Wangen hinunterlaufen und von meinem Kinn auf den kalten Steinboden tropfen.
Finn hält immer noch meine Hand in seiner. Mit der anderen fasst er nach meinem Gesicht und wischt mir mit dem weichen Ballen seines Daumens eine Träne weg.
Woher weiß er, dass ich geweint habe? Im Dunkeln kann er es nicht gesehen haben, und ich weine eigentlich nie.
Sein Daumen fährt mir über die Wange und bleibt zärtlich auf meiner Unterlippe liegen.
»Alles ist gut«, flüstert er. Er ist so nah, dass sein warmer Atem mich im Nacken kitzelt.
Ich drehe mich zu ihm um und vergrabe mein heißes Gesicht in der weichen Baumwolle seines Hemdes. Finn riecht nach regnerischen Frühlingstagen und alten Büchern. Seine Hand wandert auf meinen Rücken, wo sie zögerlich liegen bleibt, als würde er erwarten, dass ich ihn fortstoße.
Ich war noch nie vorher einem Mann so nah. Etwas rührt sich tief in mir und durchströmt meinen Körper, es fühlt sich an wie Magie, aber es ist keine. Dieses Gefühl ist etwas ganz anderes, nur zwischen Finn und mir in diesem Augenblick.
Seine Hände sind jetzt entschiedener. Eine liegt auf meinem Kreuz, und die Hitze brennt durch mein Kleid und die Korsage und sogar noch durch das Unterhemd. Ich erschaudere unter seiner Berührung. Ich sollte zurückweichen.
Ich sollte, doch ich tue es nicht.
Ich will seine Hände auf mir spüren.
Wenn ich sein Gesicht sehen könnte, würde ich dann auch solche kühnen Gedanken haben?
Meine Hände gleiten seine Brust empor. Mein Mund sucht den seinen.
Im Dunkeln stoßen unsere Nasen zusammen, Finn legt den Kopf etwas schräg, bis seine Lippen meine finden. Sie streifen vorsichtig tastend vor und zurück. Kosten von mir. Er wartet kurz, aber ich drücke mich nur noch fester an ihn, und er versteht es als die Einladung,als die es gemeint ist. Seine Küsse werden mutiger. Ich ziehe die Zehen in meinen Schuhen zusammen; meine Finger krampfen sich um den Stoff seines Hemdes; in meinem Bauch explodiert ein Feuerwerk.
Er liebkost die kantige Linie meines Unterkiefers und wandert weiter hinunter zu der Mulde an meinem Hals.
»Finn«, seufze ich. Noch nie zuvor hat meine Stimme so geklungen.
Ich vergrabe die Hände in seinen Haaren und ziehe seinen Mund zurück zu meinem.
Seine Hände sind überall, leicht wie Federn streichen sie über meinen Rücken und meine Hüften. Verheddern sich in der Schärpe um meine Taille und drücken mich noch näher an ihn heran. Mein Körper brennt, wo immer er mich berührt.
Ich habe noch nie besonders viel übers Küssen nachgedacht. Hatte nie einen Anlass dazu. Aber das hier – oh, das hier ist großartig. Verrückt und hungrig und großartig. Ich könnte stundenlang so weitermachen.
Und dann hören wir, wie die Tür zur Kammer geöffnet wird und Clara ruft: »Sie sind weg!« Sofort schnellen wir auseinander und atmen so heftig, als hätten wir gerade einen Wettlauf hinter uns.
Dann spüre ich etwas Weiches unter meinen Füßen und blicke hinunter.
Da sind Federn. Weiß leuchtende Federn überall , verteilt über die Bücher, verfangen in Finns Haaren, in meinen Röcken, der ganze Boden ist weiß davon.
Oh nein.
Vorhin waren sie noch nicht da.
Finn beugt sich hinunter und hebt eine Feder, so groß wie seine Handfläche, auf. Das heißt, dass er sie auch sehen kann.
Ich wollte es nicht, aber ich habe an Federn gedacht, und da sind sie.
Ich presse die Augen zu. Warum gerade jetzt? Ich habe noch nie etwas aus dem Nichts erscheinen lassen außer diesem blöden Schaf.
Evanesco . Bitte, Herr, Evanesco .
Aber sie verschwinden nicht.
Natürlich nicht. Für heute habe ich meinen Vorrat an Glück eindeutig aufgebraucht.
»Was zur Hölle …?«, murmelt Finn, und obwohl ich sein Gesicht nicht sehen kann im Dunkeln, weiß ich, dass die Stelle zwischen seinen Augenbrauen zu einem umgedrehten V zusammengezogen ist. »Cate, siehst du – ?«
» Evanesco «, platze ich heraus, und dann sind sie weg.
Finn starrt auf seine leeren Hände.
Was habe ich getan?
Ich denke, ich kann Finn
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