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Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)

Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Spotswood
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Rest eurer Tage«, stimmt er an.
    »Dank sei dem Herrn«, antworten wir im Chor und kommen wieder auf die Beine. Und obwohl das hier unser Zuhause ist, bleiben wir so lange stehen, bis Bruder O’Shea wieder Platz genommen hat und uns bedeutet, uns zu setzen. Dann erst lässt Schwester Cora sich auf dem Sessel aus brauner Seide neben dem Kamin nieder, und Schwester Gretchen setzt sich auf die runde, mit Quasten geschmückte Ottomane neben ihr. Ich stehe wie ein Wachmann mit zum Zerreißen gespannten Nerven hinter ihnen.
    »Wie Sie vielleicht wissen, tagt der Nationalrat gerade in New London«, beginnt O’Shea. Als ob wir das vergessen könnten. Hunderte von Brüdern sind seit Tagen in der Stadt, und Schwester Cora hat uns eindringlich ermahnt, während der dreiwöchigen Tagung besonders vorsichtig zu sein. »Es ist eine Zeit der Besinnung. Wir beten zum Herrn, uns zu führen, uns zu lehren, wie wir unsere schwachen, aufsässigen Schützlinge besser leiten können. Heute wurden wir mit der Weisheit des Herrn gesegnet. Es wurden zwei neue Gesetze verabschiedet.«
    »Gleich zwei?«, keucht Schwester Cora.
    Das ist noch nie da gewesen. Manchmal vergehen ganze Jahre, in denen der Nationalrat nicht ein einziges neues Gesetz beschließt. Nervös spiele ich mit den Händen und drehe an Mutters Perlenring.
    »Als uns die Nachrichten aus Frankreich ereilten, war klar, dass wir sofort Maßnahmen ergreifen müssten, um die Seuche einzudämmen«, erklärt O’Shea und verschränkt die Beine.
    Eine Seuche? Ich achte nicht besonders auf die Nachrichten aus Übersee, aber von einer Krankheit habe ich nichts mitbekommen.
    Helmsley, dessen massige Gestalt das Sofa sehr klein erscheinen lässt, sagt nichts. Anscheinend ist seine einzige Aufgabe, Frauen zu misshandeln und Kinder einzuschüchtern.
    Bruder O’Shea hält inne, wahrscheinlich, um die Spannung noch zu steigern. Mir fällt auf, wie sauber und frei von Schwielen die Hand auf seinem Knie ist. Die Fingernägel sind ordentlich manikürt. Auf einmal muss ich an Finns Hände denken. An die Sommersprossen und die Tintenflecke, den Dreck unter seinen Nägeln von der ehrlichen Arbeit im Garten.
    Ob Finn jetzt auch in New London ist? Die neuen Mitglieder begleiten Bruder Ishida doch für gewöhnlich zur Nationalratsversammlung, wo sie feierlich von der Bruderschaft aufgenommen werden.
    Er muss hier sein, aber er hat noch keinen Versuch unternommen, mich zu sehen.
    Ob er mich jetzt hasst?
    Er hätte jedenfalls allen Grund dazu. Schließlich ist er der Bruderschaft einzig und allein meinetwegen beigetreten, und dann habe ich ihn ohne eine Erklärung verlassen.
    Doch die Vorstellung, dass er mich – uns – einfach so aufgegeben haben könnte, schmerzt.
    »Die Franzosen haben ihren Frauen das Wahlrecht gegeben«, fährt Bruder O’Shea fort. »Aufgrund Frankreichs enger Verbindung zu Arabien war das vielleicht zu erwarten. Aber es zwingt uns zu handeln. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Frauen von solchen weltlichen Angelegenheiten unberührt bleiben und sich weiterhin um ein behagliches Heim und die Erziehung gottesfürchtiger Kinder kümmern. Die neuen Gesetze sind dazu bestimmt, die Frauen an ihre wahre Bestimmung zu erinnern.«
    Oh nein. Das klingt nach etwas Schlimmerem als einer Seuche.
    »Selbstverständlich.« Schwester Cora hält den Kopf leicht geneigt, wie eine Tulpe im Regen. »Wir helfen Ihnen natürlich, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln.«
    »Ich hoffe, dass Ihr Entschluss auch noch genauso unumstößlich ist, wenn Sie erst einmal gehört haben, inwieweit die neuen Gesetze die Schwesternschaft betreffen.« Bruder O’Shea räuspert sich. Helmsley lächelt höhnisch und lässt seine Fingerknochen knacken. Wartet er etwa nur darauf, dass wir aufbegehren, damit er heute Abend noch jemanden verhaften kann?
    Das Herz schlägt mir bis zum Halse. Ist das hier eine Art Prüfung?
    »Das erste Gesetz, das mit sofortiger Wirkung in Kraft tritt, untersagt es Frauen, außerhalb des Hauses zu arbeiten.« O’Shea streckt die Brust heraus und ist offenbar sehr zufrieden mit seiner Botschaft.
    Ich denke an Marianne Belastra, die mit ihrer Buchhandlung die Familie über Wasser gehalten hat, nachdem Finns Vater gestorben ist. Ich denke an Mrs Kosmoski, die Schneiderin in Chatham. An Witwen wie Lavinia Anderson, die von nun an vollkommen von der Wohltätigkeit der Bruderschaft abhängig sind, um ihre Familien zu ernähren. Doch genau das will die Bruderschaft erreichen,

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