Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
du zugeben willst«, spottet Alice, und mir sinkt das Herz. Hat Maura ihr etwa erzählt, dass ich mich immer noch mit Finn treffe? »Es ist wirklich bemitleidenswert, dass du dich mit einem Mann einlässt, der dich sitzen gelassen hat.«
»Du hattest einen Liebsten, der bei der Bruderschaft ist?«, keucht Rilla neben mir. »Das hast du mir nie erzählt!«
»Das machst du doch immer, Alice«, klagt Vi. »Du machst dich über alle lustig, die nicht mit dir übereinstimmen. Wir anderen dürfen ja wohl auch noch eine Meinung haben.«
»Du bist doch bloß eifersüchtig, weil wir dich bei dieser Sache nicht gebrauchen können. Du kannst eben keine Gedankenmagie, und deine Illusionen sind furchtbar. Wenn dein Vater nicht angeboten hätte, ohne Bezahlung als Kutscher zu arbeiten, hätte es sich noch nicht einmal gelohnt, dich zu retten!«, ruft Alice. Ihr hübsches Gesicht ist knallrot.
»Ach ja, ist das so?« Vi kneift die Augen zusammen, und auf einmal krabbeln lauter Spinnen über Alice’ grünes Kleid. Hunderte von Spinnen.
Es ist ein Illusionszauber – ein schrecklicher Zauber für Leute, die Angst vor Spinnen haben. Und so wie Alice schreit und herumspringt, hat sie ziemliche Angst vor Spinnen. »Mach sie weg! Mach sie weg!«
Maura geht zu Alice und streicht ein paar Spinnen von ihr, aber längst nicht alle. Die wenigen Exemplare, die auf dem Boden landen, hasten mit überraschender Geschwindigkeit davon, und mehrere Mädchen ziehen kreischend die Füße auf ihre Stühle. Daisy wirft ein Buch auf eine besonders große Spinne und drückt sie damit platt.
»Beruhig dich. Die sind nicht echt. Du kannst nicht dagegen ankämpfen, solange du dich nicht konzentrieren kannst«, sagt Maura zu Alice.
»Die beiden sollten sich sowieso nicht bekämpfen«, sage ich, aber mit Mauras Hilfe scheint Alice wieder zur Vernunft gekommen zu sein. Sie lässt die Spinnen verschwinden.
»Ich kann also keine Illusionen? Und ob!«, sagt Vi, und dann wächst Alice, sie wird größer als ich, so groß wie die Bücherregale an der hinteren Wand. Zwei geschwungene Hörner wie von einem Schafbock ragen durch das goldene Haar, und ihre Haut bekommt eine schauerliche olivgrüne Farbe. Sie sieht aus wie ein Ungeheuer aus einem Märchenbuch.
Rilla fängt an zu kichern. Pearl lacht hinter vorgehaltener Hand. Sogar Eugenia und Maud, die sich Alice normalerweise fügen, können sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Alice rennt schreiend zu dem mit Goldschnitt versehenen Spiegel über dem Kamin und beugt sich so weit hinunter, dass sie ihr Gesicht sehen kann, woraufhin sie wieder losschreit.
»Vi, das ist genug«, mahne ich und erhebe mich von meinem Tisch.
»Nein, ist es nicht«, erwidert Vi und zaubert Alice eine Schweinenase. Rory hinter mir lacht schnaubend. »Sie spielt sich immer derartig auf, dabei ist sie noch nicht einmal die beste Hexe hier.«
»Das bist du auch nicht. Bild dir bloß nichts ein«, fährt Maura sie an, und gleich darauf wird Vis Rücken buckelig, ihr Haar grau, die ebenmäßige Haut faltig, der Mund um die fehlenden Zähne eingefallen, bis sie schließlich aussieht wie ein altes Weib. Die Mädchen keuchen entsetzt, und Alice gackert. Die Illusion wirkt so echt, dass sogar ich erschreckt einen Schritt zurück mache.
»Maura«, stöhne ich, »du bist keine Hilfe.«
Maura grinst mich an. »Brich den Zauber doch, wenn du es schaffst.«
Das werde ich auch – nicht nur, weil ich auf Vis Seite bin, sondern auch, weil Maura eine Herausforderung daraus gemacht hat, und ich war noch nie eine, die vor Herausforderungen zurückgeschreckt. Ich horche in mich hinein und finde meine Magie, durch Angst und Wut geschürt, schon bereit. Trotzdem zögere ich. Wenn es mir nicht gelingt, Mauras Illusionszauber zu breche, wird sie mich das nie vergessen lassen. Und wenn ich es schaffe, wenn ich sie vor einem Dutzend Zeuginnen vorführe – wird sie mir dann jemals verzeihen?
»Was hast du mit mir gemacht?«, fragt Vi und betastet ihr verhutzeltes Gesicht.
»Sie hat dafür gesorgt, dass du von außen genauso hässlich bist wie von innen«, höhnt Alice.
»Es reicht!«, rufe ich. Ich konzentriere mich zuerst auf Vi, denn Mauras Zauber wird schwieriger zu brechen sein. Wie immer, wenn ich unter Stress stehe, spreche ich meinen Zauber laut. »Acclaro!«
Es ist nicht leicht. Als ich mit meiner Magie gegen den Zauber tippe, widersetzt er sich mir hartnäckig. Ich schubse dagegen, und er gerät ins Wanken. Maura beobachtet mich mit einem
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