Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
Lagerhalle unten am Fluss festgehalten.
»Baba ist sie besuchen gegangen, und die Wachen haben ihm eine Standpauke gehalten, wie er Mädchen großziehen könne, die solche Schwierigkeiten machten«, erzählte uns Mei gestern Abend. »Er glaubt, die Männer werden nur ein paar Tage festgehalten, um ihnen eine Lektion zu erteilen, aber den Frauen wird wohl wegen öffentlichen Ärgernisses der Prozess gemacht.«
Das kann ja nicht gut ausgehen. Ich sehe zu Mei hinüber, die stumm ihr Mantra vor sich hin betet, während sie die Perlen der Gebetskette mit dem Daumen über den Mittelfinger bewegt.
Da ertönen schwere Schritte auf dem Flur, und im nächsten Moment erscheint Schwester Gretchen in der Tür. »Entschuldige bitte, Sophia. Ich unterbreche nur ungern, aber Cora verlangt nach dir.«
Schwester Sophia schlägt das Buch mit einem lauten Knall zu, sodass Alexa aufwacht und alle anderen aus ihrer Betäubung hochschrecken. »Mädchen, ihr könnt gehen.«
Schwester Cora muss schlimme Schmerzen haben, wenn sie Sophia aus dem Unterricht kommen lässt.
»Stirbt Schwester Cora?«, fragt Daisy Schwester Sophia. Als ich mich zu ihr umdrehe, bemerke ich, dass sie und Rory Stadt, Land, Fluss auf ihren Schiefertafeln gespielt haben. Rory ist nicht besonders viel eingefallen, und beim Anblick ihres halb fertigen Galgenmännchens läuft es mir trotz der Hitze im Klassenraum kalt den Rücken hinunter.
»Heute nicht«, sagt Schwester Sophia schnell. »Wenn es schon so weit wäre, dann gäbe es für mich nichts mehr zu tun.«
Als sie den Gang hinuntergeht, fasse ich sie am Ärmel ihres gelben Seidenkleids. »Kann ich helfen?«
Sie tätschelt mir mit einem besorgten Lächeln die Schulter. »Nein, meine Gute, aber es ist lieb von dir, dass du fragst.«
Dann verschwinden Schwester Sophia und Schwester Gretchen flüsternd. Obwohl der Unterricht zu Ende ist, bleiben wir alle erschüttert auf unseren Plätzen sitzen. Zum ersten Mal hat eine unserer Lehrerinnen offen zugegeben, dass Schwester Cora im Sterben liegt.
»Ich habe sie heute Morgen auf dem Flur getroffen, als ich etwas für Schwester Gretchen besorgt habe«, sagt Daisy in ihrem breiten Dialekt und wischt mit einem Lappen das Spiel von ihrer Tafel. »Sie sah furchtbar aus. Sie konnte kaum laufen.«
Rilla legt ihren Stift hin. »Als ich beim Frühstück in der Küche geholfen habe, hat Schwester Gretchen erzählt, außer Brühe und Tee behielte Cora nichts mehr bei sich. Es wird wahrscheinlich nicht mehr lange dauern. Meiner Großmutter ging es am Ende genauso.«
Da schlendert Maura nach vorne, schiebt den Stapel Bücher auf Schwester Evelyns Pult zur Seite und setzt sich auf den Tisch. »Wir sollten Schwester Inez schon jetzt zur Schulleiterin erklären, damit wir etwas unternehmen können, statt einfach nur darauf zu warten, dass Cora stirbt. Jetzt, da die Brüder alle mit dem Protest und der Jagd nach der Seherin beschäftigt sind, wäre der perfekte Zeitpunkt zuzuschlagen.«
Mei zuckt zusammen und steckt die Gebetsperlen zurück in die Tasche ihres orangefarbenen Kleids. »Es ist eine gefährliche Zeit, weil wegen der Nationalratssitzung so viele Brüder in der Stadt sind. Schwester Cora sagt, wir müssen jetzt besonders auf der Hut sein.«
»Schwester Cora ist viel zu alt und vorsichtig. Wir brauchen eine Frau mit Schneid, die uns führt«, sagt Maura und baumelt mit den Beinen wie ein kleines Kind. Sie trägt braune Absatzschuhe mit Goldtroddeln an den Spitzen. »Ein Dutzend Mädchen wurden gefangen genommen und werden in diesem Moment ohne Prozess festgehalten. Denkt doch nur, was für Aufsehen es erregen würde, wenn wir sie aus dem Nationalratsgebäude befreiten! Die Brüder wären außer sich vor Wut.«
»Das ist unmöglich«, platzt Eugenia heraus. Sie wagt einen Blick über die Schulter auf Alice und spielt nervös mit ihrem braunen Nackenknoten. »Das Nationalratsgebäude ist eine Festung. Bruder Covington hat eine riesige Wohnung darin. Die Wachen der Brüder patrouillieren Tag und Nacht vor dem Gebäude.«
Auf einmal kommt es mir vor wie ein Déjà-vu: Ich sehe Rory im Wohnzimmer vor mir, die mich fragt: Meinst du, es ist möglich, jemanden aus Harwood zu befreien?
Ausnahmsweise denke ich mal nicht lange nach. »Wenn wir schon darüber reden, einen Ausbruch zu planen«, sage ich langsam, den Blick auf Rory geheftet, »wie wäre es dann mit Harwood?«
Rorys Schiefertafel rutscht ihr aus der Hand und fällt klappernd zu Boden. »Wirklich?«, keucht
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