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Töchter des Schweigens

Töchter des Schweigens

Titel: Töchter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: barcelo
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geschminkt wird.
    Manolo kommt mit zwei Gläsern zurück.
    »Es gibt kein Eis«, sagt er, »aber zum Glück funktioniert der Kühlschrank. José ist noch hinten, ziemlich blau, aber solange er sich aufrecht hält, wird er weiter Musik auflegen.«
    Sie stoßen an und trinken, lächeln sich an. Er fasst sie um die Hüfte, und sie legt die Hand, in der sie die Zigarette hält, auf seine Schulter. Eng beieinander stehend bewegen sie sich langsam mit geschlossenen Augen zu Samba pa ti .
    Für Marga ist es ein perfekter Moment: die Musik, das rötliche Dämmerlicht, der Rauch, die Kälte des Glases in der Hand, der Geschmack des Wodka-Orange auf der Zunge, die Müdigkeit, ihr entspannter Körper, der sich an Manolo lehnt, selbstverständlich, kameradschaftlich. Sie öffnet die Augen, schließt sie wieder und seufzt.
    Da presst er sie mit einem Mal an sich, umschlingt sie wie eine Boa ihre Beute. Er drängt sein Gesicht in ihre Halsbeuge, drückt die Lippen auf ihren Hals und beginnt zu saugen wie ein Vampir, während seine freie Hand über ihre Taille abwärtsgleitet und sie auf eine Art befummelt, die ihr unangenehm ist.
    »Was soll das?«, fragt sie und versucht ihn wegzuschieben. »Du tust mir weh am Hals.«
    »Ich brandmarke dich«, raunt er. »Damit alle Welt weiß, dass du mir gehörst.«
    »Ich gehöre dir aber nicht«, sagt sie, zunehmend verstimmt. »Ich gehöre niemandem. Lass mich in Ruhe!«
    Manolo wirft sein Glas auf den Boden, um beide Hände frei zu haben. Marga umklammert ihres wie eine Waffe oder eine Planke im Meer. Manolos Samtanzug ist so schwarz wie die Finsternis hinter ihm, und sekundenlang scheint er keinen Körper zu haben, ist nur ein schwebender Kopf, der sie aus funkelnden Raubtieraugen anstarrt. Sein Gesicht ist bleich und verzerrt, das Haar klebt ihm an der Stirn.
    »Hör auf mit dem blöden Getue, Marga«, zischt er in einem Ton, den sie als bedrohlich empfindet. »Du weißt ganz genau, wozu wir hergekommen sind, tu nicht so unschuldig.«
    Sie schüttelt wortlos den Kopf. Es verschlägt ihr die Sprache. Sie spürt eine rohe Kraft, die von ihm auszugehen scheint wie die Wärme von einer Heizung. Sie will sich umdrehen und weglaufen, kann aber ihre Beine nicht bewegen, die angefangen haben zu zittern. Die Zigarette fällt mit einem kleinen Funkenregen zu Boden, und Manolo zertritt sie.
    Er nimmt ihr das Glas aus der Hand, schleudert es in die Ecke, packt sie an den Schultern und führt sie nach hinten ins dunkelste Zimmer, wo zu allseits bekannten Zwecken ein paar Sofas stehen.
    »Lass mich los«, bringt sie schließlich heraus. »Lass mich, du Grobian, ich will nicht, hast du gehört? Ich will nicht. Du bist betrunken.«
    »Ja«, sagt er. »Ich bin betrunken. Und neulich auf deinem Geburtstag waren deine Freundinnen da, und wir konnten nicht allein sein. Und letzte Woche hattest du Kopfschmerzen. Und vor zwei Wochen musstest du für die Lateinarbeit pauken und warst nicht mal vor der Tür. Wir sind doch ein Paar, verflucht noch mal. Ich habe ein Recht darauf.«
    Sie stehen in dem Raum, der in einer normalen Wohnung das Esszimmer wäre. Zur Haustür und zum Hinterzimmer ist es gleich weit. Sie fühlt, wie eine Art elektrischer Strom ihre Muskeln durchzuckt, sich etwas in ihrem Inneren angewidert zusammenzieht und in ihrem Magen verknotet wie eine Schlange. Im Halbdunkel hat sich Manolos Gesicht in eine Maske verwandelt. Schweiß glänzt auf seiner Oberlippe, das Haar klebt ihm an Stirn und Schläfen, seine weißen Zähne blitzen in der Dunkelheit, und mit einem Schlag weiß Marga, dass sie sich nie, nie, nie von ihm anfassen lassen wird, dass sie ihm die Augen auskratzen wird, falls er es versuchen sollte, und in diesem Moment scheint sich Manolo der Gefahr bewusst zu werden und gibt nach. Sein Körper entspannt sich, die animalische Kraft verschwindet, als hätte es sie niemals gegeben.
    Die Musik hat schon vor einer Weile aufgehört. Jetzt nehmen sie das Quietschen der Nadel in der Schallplattenrille wahr.
    »José ist vermutlich eingepennt«, bemerkt Manolo, bemüht, wieder zur Normalität zurückzufinden.
    »Ich muss gehen.« Marga kämpft gegen das Beben in ihrer Stimme an, dennoch kommt aus ihrem Mund nur ein Krächzen.
    »Ich bringe dich nach Hause.«
    »Nein, lass nur, ist schon gut. Bleib hier bei José und schlaf ein bisschen.«
    »Kommt überhaupt nicht infrage. Ich werde doch mein Mädchen um diese Uhrzeit nicht allein gehen lassen, wenn so viele Besoffene unterwegs sind.«
    Marga

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