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Töchter des Windes: Roman (German Edition)

Töchter des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Töchter des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Mischung aus Gier und Neugierde machte sie schließlich ihre Schachtel auf.
    Sprachlos hob sie das mit Goldstaub verzierte, gläserne Herz heraus. Es hatte einen Deckel, und als sie ihn anhob, ertönte eine leise Melodie.
    »Oh, eine Spieluhr.« Lottie klatschte begeistert in die Hände. »Wie wunderschön und wie passend. Wie heißt denn das Lied?«
    »Stardust«, murmelte Maeve und hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück, denn beinahe hätte sie mitgesummt. »Ein Oldie.«
    »Ein Klassiker«, stimmte Gray ihr zu. »Es gab nichts Irisches, aber ich fand, daß dieses Lied gut zu Ihnen paßt.«
    Maeves Mund wurde von einem unmerklichen Lächeln umspielt, doch dann räusperte sie sich und bedachte Gray mit einem gleichmütigen Blick. »Danke, Mr. Thane.«
    »Gray«, sagte er im Plauderton.
     
    Dreißig Minuten später waren die Törtchen gegessen, und Brianna und Gray waren wieder allein. Brianna stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn böse an. »Das kam ja fast einer Bestechung gleich.«
    »Nein, es kam nicht fast einer Bestechung gleich«, ahmte er ihren Tonfall nach. »Es war eine Bestechung. Und zwar eine perfekte Bestechung, wie ich fand. Bevor sie ging, hat sie mir tatsächlich ein Lächeln geschenkt.«
    Brianna stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Ich weiß nicht, für wen von euch beiden ich mich mehr schämen muß.«
    »Betrachte es doch einfach als Friedensangebot. Ich möchte nicht, daß deine Mutter dich meinetwegen traurig macht, Brianna.«
    »Ganz schön clever. Daß du ihr ausgerechnet eine Spieluhr kaufst.«
    »Ich dachte mir, jedesmal, wenn sie die Musik hört, denkt sie an mich, und über kurz oder lang wird sie zu dem Schluß kommen, daß ich vielleicht doch nicht so übel bin.«
    Sie wollte nicht lächeln. Es war empörend. »Du bildest dir also ein, du hättest sie durchschaut.«
    »Ein guter Schriftsteller muß immer auch ein guter Beobachter sein. Sie ist es gewöhnt, sich ständig über alles und jeden zu beschweren.« Er öffnete den Kühlschrank und nahm sich ein Bier. »Und das Problem ist, daß es in letzter Zeit viel zu wenig Grund zur Beschwerde für sie gibt. Muß frustrierend sein.« Er machte die Flasche auf und trank einen großen Schluck. »Und außerdem fürchtet sie, du hättest dich vor ihr verschlossen, und sie weiß einfach nicht, wie sie diese Kluft überbrücken soll.«
    »Aber ich soll das schaffen, ja?«
    »Du wirst es. Du kannst einem Menschen nicht ewig böse sein. Obwohl sie fürchtet, daß du in ihrem Fall vielleicht eine Ausnahme machst.« Er legte einen Finger unter Briannas Kinn und zwang sie sanft, ihn anzusehen. »Aber das wirst du nicht tun. Deine Familie ist dir zu wichtig, um dich dauerhaft mit einem ihrer Mitglieder zu entzweien, und genau aus diesem Grund wirst du ihr bald verzeihen.«
    Brianna wandte sich ab und räumte die benutzten Tassen vom Tisch. »Es ist nicht immer angenehm, wenn es einen Menschen gibt, der einen durchschaut, als wäre man aus Glas.« Doch gleichzeitig seufzte sie. »Vielleicht werde ich ihr tatsächlich verzeihen, aber wie lange es bis dahin dauern wird, weiß ich nicht.« Sie stellte die Tassen in der Spüle ab. »Wobei dein Trick die Sache zweifellos beschleunigt hat.«
    »Genau das sollte er auch.« Er trat hinter sie und schlang seine Arme um ihren Bauch. »Du bist mir also nicht mehr böse?«
    »Nein, ich bin dir nicht mehr böse.« Sie drehte sich um und vergrub ihren Kopf an seiner Schulter, was ihr inzwischen eine liebe Gewohnheit war. »Ich liebe dich, Grayson.«
    Er streichelte ihr Haar, blickte aus dem Fenster und schwieg.
     
    Während der nächsten paar Tage war der Himmel bedeckt, wodurch Gray, der pausenlos mit seinem Buch beschäftigt war, den Eindruck gewann, in endloses Zwielicht eingetaucht zu sein. Es war ihm ein Leichtes, die Zeit zu vergessen, ganz zu versinken in dem Buch, ohne auch nur im geringsten wahrzunehmen, was um ihn herum geschah.
    Er war dem Killer dicht auf den Fersen, und der letzte, gewaltsame Zweikampf stand kurz bevor. Im Hirn des Schurken gingen exakt dieselben Dinge wie im Hirn des Helden vor. Der Mann war ebenso clever wie gemein. Aber nicht wahnsinnig, dachte Gray, während die Abschlußszene vor seinem geistigen Auge vorüberzog.
    Es gäbe bestimmt Menschen, nach deren Meinung er wahnsinnig war, Menschen, die nicht verstanden, daß die Grausamkeit und die Gnadenlosigkeit des Mörders einem durchaus gesunden Hirn entspringen konnten. Aber genau wie der Held der Geschichte wußte

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