Töchter des Windes: Roman (German Edition)
mit Ihrem wehenden weißen Nachthemd, Ihrem offenen, wogenden Haar und Ihrem mutigen und zugleich ängstlichen Blick.«
»Ich hatte keine Angst.« Kurz bevor er von der Straße abbog, erblickte sie das Schild. »Hierher wollen Sie? Nach Drumoland Castle? Aber das geht doch nicht.«
»Warum nicht? Man sagte mir, daß die Küche hervorragend sei.«
»Das ist sie auch, und teuer ist sie ebenfalls.«
Er lachte und verlangsamte das Tempo des Wagens, um den Anblick der Burg zu genießen, die sich in ihrer hell erleuchteten grauen Pracht am Fuß eines Hügels erhob. »Brianna, ich werde für mein Zigeunerleben äußerst gut bezahlt. Ein wunderbares Gebäude, finden Sie nicht?«
»Allerdings. Und erst die Gärten ... Im Dunkeln sieht man sie natürlich nicht richtig, und der harte Winter hat ihnen sicher nicht gut getan, aber es sind die schönsten Gärten, die man sich denken kann.« Sie blickte über den sanft ansteigenden Rasen in Richtung eines um diese Jahreszeit kahlen Rosenbeets. »Auf der Rückseite der Burg ist ein Steingarten. Er ist so prächtig, daß man das Gefühl hat, er wäre nicht echt. Warum haben Sie sich keine Unterkunft wie diese ausgesucht?«
Er parkte den Wagen und stellte den Motor ab. »Das hätte ich fast getan, aber dann hörte ich von Ihrer Pension. Nennen Sie es Impuls.« Er sah sie grinsend an. »Und ich habe schon immer auf meine inneren Impulse gehört.«
Er kletterte aus dem Wagen, nahm ihre Hand und führte sie die breite Steintreppe hinauf.
Wie bei einer Burg nicht anders zu erwarten, war die Eingangshalle geräumig und luxuriös, mit tiefroten Teppichen und dunklem Holz. Aus dem Kamin stieg der Geruch von brennendem Holz zu ihnen auf, von der Decke schimmerten üppige Kristallüster herab, und über allem schwebte der einsame Klang sanfter Harfenmusik.
»In Schottland habe ich mal auf einer Burg gewohnt«, setzte er an, während er, ohne ihre Hand loszulassen, den Speisesaal
betrat. »Und in Cornwall ebenfalls. Es war faszinierend. Überall meinte man, irgendwelche geheimnisvollen Schatten zu sehen.«
»Glauben Sie an Geister?«
»Aber sicher doch.« Er sah ihr in die Augen, während er ihren Mantel nahm. »Sie etwa nicht?«
»Doch. Gleich hier in der Nähe gibt es ein paar.«
»Der Steinkreis.«
Sie war überrascht, doch gleichzeitig war ihr klar, daß keine Veranlassung dazu bestand. Es paßte zu ihm, daß er bereits dort gewesen und daß ihm die besondere Atmosphäre des Orts nicht verborgen geblieben war. »Ja, aber nicht nur dort.«
Gray wandte sich an den Empfangschef, sagte »Thane«, und umgehend wurden sie an einen Tisch geführt. Während er die Weinkarte nahm, sah er Brianna an. »Möchten Sie überhaupt Wein?«
»Sehr gern.«
Nach einem kurzen Blick auf die Karte sagte er, an den Weinkellner gewandt: »Wir nehmen den Chassogne-Montrachet.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Hunger?« fragte er Brianna, die die Speisekarte mit den Augen verschlang.
»Ich versuche, mir die Gerichte zu merken«, murmelte sie. »Ich habe einmal mit Maggie und Rogan hier gegessen, und das Hühnchen in Honig und Wein habe ich fast genauso hingekriegt.«
»Lesen Sie die Karte einfach zum Vergnügen«, schlug er vor. »Nachher besorge ich Ihnen eine Kopie.«
Über den Rand der Karte hinweg bedachte sie ihn mit einem skeptischen Blick. »Ich glaube kaum, daß Ihnen das gelingen wird.«
»Warten Sie’s nur ab.«
Sie lachte und wählte willkürlich eins der Gerichte aus.
Nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten und der Wein serviert worden war, beugte sich Gray über den Tisch. »Und jetzt erzählen Sie mir davon.«
Sie blinzelte verwirrt. »Wovon?«
»Von den Geistern.«
»Oh.« Lächelnd fuhr sie mit einem Finger an ihrem Weinglas hinab. »Nun, vor langer, langer Zeit gab es hier in der Gegend ein Liebespaar. Da das junge Mädchen jedoch einem anderen versprochen war, trafen sie sich in aller Heimlichkeit. Er war ein armer Mann, ein einfacher Farmer, heißt es, während sie die Tochter eines englischen Großgrundbesitzers war. Aber sie liebten sich, und so schmiedeten sie verzweifelt Pläne, um gemeinsam durchzubrennen und für alle Zeit zusammen zu sein. In jener Nacht trafen sie sich beim Steinkreis. Dort, an jenem heiligen, magischen Ort, wollten sie die Götter bitten, mit ihnen zu sein. Wissen Sie, sie hatten keine Zeit mehr zu verlieren, weil sie bereits sein Kind unter ihrem Herzen trug. Also knieten sie sich in die Mitte des Kreises, und sie sagte ihm, daß sie schwanger
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