Töchter des Windes: Roman (German Edition)
sein.«
»Mutter.« Langsam, aber stetig nahm Briannas Kopfschmerz zu.
»Also gut, ich fahre.« Maeve winkte ab. »Meiner Gesundheit zuliebe, obwohl der Aufenthalt in einem fremden Land meinen Nerven ganz bestimmt nicht gut tun wird.« Plötzlich sah sie ihre Tochter mit zusammengekniffenen Augen an. »Und wo ist der Amerikaner, wenn ich fragen darf?«
»Grayson? Oben. Er arbeitet an seinem Buch.«
»Arbeitet.« Sie stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Seit wann nennt man es arbeiten, wenn sich jemand eine Geschichte ausdenkt? In diesem Land denkt sich jeder Mensch Geschichten aus.«
»Ich denke, wenn man sie aufschreibt, ist es etwas anderes. Wenn er herunterkommt, nachdem er an seinem Computer gesessen hat, könnte man manchmal meinen, er hätte Gräben ausgehoben, so müde sieht er aus.«
»In Dublin hat er recht munter auf mich gewirkt — schließlich hat er dich unermüdlich begrapscht.«
»Er hat was?« Brianna ließ eine Masche fallen und starrte ihre Mutter mit großen Augen an.
»Denkst du, ich wäre nicht nur schwach, sondern obendrein noch blind?« Auf Maeves Wangen zeichneten sich hektische rote Flecken ab. »Ich habe mich in Grund und Boden geschämt, als ich mit ansehen mußte, daß du dich nicht im geringsten gegen seine Zudringlichkeit zur Wehr gesetzt hast, und das, obwohl ihr noch nicht mal alleine wart.«
»Wir haben miteinander getanzt«, stieß Brianna zwischen zusammengepreßten Zähnen hervor. »Ich habe ihm ein paar Schritte beigebracht, mehr nicht.«
»Was ich gesehen habe, habe ich gesehen.« Maeve reckte trotzig das Kinn. »Und ich frage dich hier und jetzt, ob du dich ihm bereits ganz hingegeben hast.«
»Ob ich . . .« Das rosafarbene Wollknäuel rollte über den Fußboden davon. »Wie kannst du mir eine solche Frage stellen?«
»Ich bin immer noch deine Mutter, und ich frage dich, was ich will. Zweifelsohne spricht bereits das halbe Dorf darüber, daß du deine Nächte hier allein mit diesem Mann verbringst.«
»Niemand spricht darüber. Ich führe eine Pension, und er ist mein Gast.«
»Ein bequemer Weg, um zu sündigen — das habe ich bereits bei der Eröffnung deiner Pension gesagt.« Sie nickte, da sie in Grays Anwesenheit eine Bestätigung ihrer Prophezeiung sah. »Du hast mir noch nicht geantwortet, Brianna.«
»Das sollte ich auch nicht, aber ich werde es trotzdem tun. Ich habe mich ihm nicht hingegeben, weder ihm noch sonst irgendeinem Mann.«
Maeve wartete einen Augenblick, dann nickte sie abermals. »Nun, eine Lügnerin warst du noch nie, also glaube ich dir.«
»Es ist mir egal, ob du mir glaubst oder nicht.« Sie zitterte vor Wut, als sie sich von ihrem Platz erhob. »Denkst du, ich wäre stolz oder glücklich, weil ich noch nie mit einem Mann zusammengewesen, weil ich von noch keinem Mann genug geliebt worden bin? Ich will nicht alleine leben, und ebensowenig
will ich immer nur für die Kinder anderer Frauen Sachen stricken, o nein.«
»Sprich nicht in diesem Ton mit mir.«
»Du hast recht, davon wird es auch nicht besser.« Brianna holte tief Luft. »Aber ebensowenig wird es davon besser, daß ich immer ruhig und gelassen bin. Ich gehe und helfe Lottie mit dem Tee.«
»Du bleibst, wo du bist.« Maeve sah ihre Tochter grimmig an. »Du solltest Gott auf Knien danken für das Leben, das du lebst, mein Kind. Du hast ein Dach über dem Kopf und eigenes Geld. Vielleicht gefällt mir nicht, wie du es verdienst, aber immerhin hast du damit einen gewissen Erfolg. Denkst du etwa, ein Mann und Babys wären ein Ersatz dafür? Wenn ja, dann irrst du dich.«
»Maeve, womit setzt du dem armen Mädchen denn nun schon wieder zu?« Lottie kam herein und stellte das Tablett auf den Tisch.
»Halt dich da raus, Lottie.«
»Bitte«, sagte auch Brianna in ruhigem, wenn auch kühlem Ton. »Laß sie zu Ende reden.«
»Das werde ich. Auch ich hatte einmal etwas Eigenes. Und habe es verloren.« Maeves Lippen zitterten, ehe sie sie zusammenkniff. »Habe jede Chance verloren, das, was ich sein wollte, zu sein. Und das nur, weil ich der Sünde der Fleischeslust verfallen bin. Mit einem Baby im Bauch, was konnte ich anderes sein als eines Mannes Frau?«
»Meines Vaters Frau.«
»Genau. Dafür, daß ich ein Kind in Sünde empfangen habe, habe ich mein Leben lang bezahlt.«
»Du hast zwei Kinder empfangen«, stellte Brianna fest.
»Allerdings. Das erste, deine Schwester, kam mit dem Makel der sündigen Empfängnis auf die Welt. Sie war schon als Baby wild und wird es
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