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Tödlich ist die Nacht

Tödlich ist die Nacht

Titel: Tödlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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Gefängnis muss oder so.«
    »Das ist wahr«, sagte sie. »Aber solche schlimmen Dinge können immerzu geschehen, Tyler. Darauf haben wir keinen Einfluss. Wir können nur um ein günstiges Schicksal beten.«
    »Ich glaube nicht an Gebete«, sagte Tyler. »Ich habe so oft gebetet, und nichts von dem, worum ich gebetet habe, ist wahr geworden. Ich glaube, Gott hat mir gar nicht zugehört.«
    »Dann müssen wir eben positiv denken«, sagte Madame Chen. »Wir müssen uns auf unsere Mitte konzentrieren und darauf, unser Chi zu sammeln und es fest in unserer Mitte zu halten. Vielleicht können wir ein so helles Licht machen, dass es JayCee sicher zu uns zurückführt.«
    Tyler dachte darüber nach. Die positive Energie des Chi erschien ihm vertrauenswürdiger. Er hatte im Internet darüber gelesen, und er hatte lange mit Großvater Chen darüber gesprochen. Das Chi schien eine wesentlich handfestere, logischere, wissenschaftlichere Sache zu sein, als an einen unsichtbaren Mann zu glauben, der in den Wolken wohnte und der auf keines von Tylers Gebeten antwortete. Chi dagegen war in ihm, und er konnte es kontrollieren. Er fand es ziemlich komisch, dass Madame Chens übellauniger, jähzorniger Neffe Chi hieß. Es war nichts Positives an ihm.
    Tyler machten die negativen Kräfte der Energie in dieser Welt Angst. Keiner konnte die Energie eines anderen kontrollieren, besonders ein kleiner Junge nicht. Nicht einmal, wenn er einen IQ von 168 hatte.
    »Was denkst du, kleine Maus?«
    Tyler blickte Madame Chen einen Moment lang an und überlegte, was er sagen sollte. In ihm tobten so viele Gefühle, dass er nicht wusste, wie er sie alle auf einmal in den Griff bekommen sollte. Wenn er die Angst um seinen Bruder zurückgedrängt hatte, dann stieg die Angst vor dem Jugendamt in ihm auf. Wenn er versuchte, die Wut zu unterdrücken, die er empfand, weil Jace ihn verlassen hatte, stieg die Angst vor der Ungewissheit seiner Zukunft in ihm auf.
    Schließlich sagte er mit zitternder Stimme: »Ich habe Angst.«
    Und gleich darauf wurde er wütend auf sich selbst, weil er sich wie ein Baby aufführte.
    »Ich weiß«, sagte Madame Chen. »Auch ich habe Angst. Wir müssen das alles gemeinsam durchstehen. Dein Bruder ist ein guter Mensch. Er hat ein gutes Herz. Er ist ehrlich und mutig. Er wird das Richtige tun, und er wird zu uns nach Hause zurückkommen. Daran müssen wir ganz fest glauben, Tyler. Sich um Dinge Sorgen zu machen, die noch nicht geschehen sind, heißt, unnötig Energie zu verschwenden.«
    »Ja, Ma'am«, sagte Tyler und fragte sich, wie er das anstellen sollte. Auf dem Dach des Hauses gab es einen kleinen Garten, den Großvater Chen pflegte. Dort oben machten er und Großvater Chen jeden Morgen Tai-Chi. Vielleicht sollte er dorthin gehen, dachte Tyler, dann könnte er mit Großvater Chen da oben sitzen, und sie könnten gemeinsam meditieren.
    Es klopfte an der Tür, und Chi steckte seinen hässlichen Kopf ins Büro, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Tyler fragte sich, ob er gestern Nacht auch gelauscht hatte, so wie er. Madame Chen sah ihn finster an.
    »Chi, ich weiß, dass deine Mutter dir Manieren beigebracht hat. Was hast du mit ihnen angestellt? Hast du sie zusammen mit den alten Fischköpfen weggeworfen? Ich sollte dich nicht wie ein Kind schelten müssen, weil du ein erwachsener Mann bist. Öffne nie eine Tür, wenn man dich nicht hereingebeten hat.«
    »Es tut mir Leid, Tante«, sagte er ohne jedes Bedauern. »Da sind schon wieder Leute von der Polizei, die dich sprechen wollen.«
    »Sag ihnen, ich werde gleich zu ihnen kommen.«
    »Offen gestanden, habe ich sie gleich hergebracht.«
    Madame Chen funkelte ihren Neffen wütend an und sagte auf Chinesisch: »Manchmal glaube ich, du bist ein fauliger Apfel voller Würmer, Chi.«
    In diesem Moment ging die Tür ganz auf, und zwei Männer drängten hinter Chi in den Raum. Einer von ihnen war sehr groß und sah Furcht einflößend aus, er trug einen Bürstenschnitt und eine Hornbrille. Der andere sah wie ein Geschäftsmann aus, außer dass ihm seine Anzugjacke an den Schultern etwas zu weit war. So als habe er sie sich von einem größeren Mann geliehen.
    Tyler mochte den Ausdruck in seinen Augen nicht. Er wollte vom Stuhl springen und sich davonschleichen, um in einem seiner Verstecke zu verschwinden. Doch als er vom Stuhl geklettert war und aus dem Büro huschen wollte, versperrte ihm der große Mann den Weg.
    »Mrs. Chen…«, begann der andere.
    »Sie dürfen mich

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