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Tödlich ist die Nacht

Tödlich ist die Nacht

Titel: Tödlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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war es noch ein weiter Weg. Sobald er auf ein funktionierendes Münztelefon stieß, würde er bei den Chens anrufen und sie bitten, Tyler an den Apparat zu holen. In der Wohnung der Damons über dem Fischmarkt gab es kein Telefon. Jace konnte sich keines leisten und außerdem gab es auch niemanden, den er regelmäßig hätte anrufen wollen.
    Heute Nacht wünschte er, das wäre anders. Es wäre genau die Nacht gewesen, um einen Freund anzurufen und sich abholen zu lassen. Aber er hatte keine Freunde, nur Bekannte, und abgesehen davon, war es vermutlich das Beste, nicht noch einen anderen in diese Sache hineinzuziehen. Er dachte instinktiv wie jemand, der auf sich allein gestellt war, und hielt andere Menschen so weit wie möglich aus seinem Leben heraus. Auf die Bekanntschaft von Lenny Lowell hätte er heute Nacht jedenfalls verdammt gut verzichten können.
    Sein Magen knurrte und zog sich schmerzhaft zusammen. Er musste irgendetwas essen, er brauchte Energie für das, was der Rest der Nacht vielleicht noch bringen würde. In seiner Hosentasche steckten ein paar Dollar. Genug für etwas zu trinken und einen Schokoriegel. Im Gegensatz zu vielen anderen Kurieren hatte Jace niemals Geld oder irgendetwas von persönlichem Wert in seiner Kuriertasche. Er wusste nur zu gut, dass ihm jederzeit alles weggenommen werden konnte.
    Eine Markise am Kassenhäuschen bot vor dem Regen Schutz. Hinter der Scheibe aus kugelsicherem Glas saß ein magerer, dunkelhäutiger Mann mit einem orangefarbenen Turban. Als Jace plötzlich vor ihm auftauchte, fuhr er zusammen, griff nach seinem Mikrofon und erklärte mit britischem Akzent: »Die Polizei ist nur eine Straße weiter.«
    Als hätte er mit einem Überfall gerechnet und sie schon im Vorhinein gerufen.
    »Ein Snickers und ein Mountain Dew.« Jace zog zwei feuchte, zerknitterte Scheine aus seiner Tasche und legte sie in das Schiebefach.
    »Ich habe nicht mehr als fünfzig Dollar in der Kasse«, fuhr der Mann fort, seine Stimme tönte blechern und hohl aus dem billigen Lautsprecher. Er deutete auf das Schild, das neben vielen Warnhinweisen an der Scheibe klebte. Benzindämpfe konnten dem ungeborenen Kind schaden. Zigaretten konnten Krebs verursachen, aber wenn das jemandem egal war und er trotzdem welche haben wollte, musste er an den Tankstellen dieser Kette einen Ausweis vorzeigen, entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen. Der Nachtkassierer hatte nicht mehr als fünfzig Dollar in der Kasse.
    »Und ich habe eine Waffe.«
    Er zog unter dem mit allem möglichen Zeug voll gestapelten Tresen eine riesige Pistole hervor und zielte damit auf Jaces Gesicht, während er mit der anderen Hand die beiden Dollar-scheine aus dem Schiebefach fischte.
    »Ist diese Scheibe nicht kugelsicher?«, frage Jace.
    Der Kassierer sah ihn grimmig an. »Ja, Sie können mich nicht erschießen.«
    »Ich habe keine Waffe«, sagte Jace. »Und wenn Sie versuchen, mich zu erschießen, wird die Scheibe Ihre Kugel aufhalten, vielleicht prallt sie sogar ab und erwischt Sie. Haben Sie daran schon mal gedacht?«
    Jace hielt seine Hände so, dass der Kassierer sie sehen konnte. »Außerdem will ich Sie überhaupt nicht überfallen. Ich will bloß ein Snickers und ein Mountain Dew. Jetzt machen Sie schon, Mann. Es regnet.«
    Aus dem Augenwinkel sah Jace weiter unten an der Straße verschwommen das Blaulicht eines Streifenwagens blinken und sein Puls ging schneller. Der Wagen bewegte sich nicht. Genauso wenig wie die anderen Streifenwagen, die vor der niedrigen Häuserzeile geparkt waren.
    »Was ist denn da hinten los?«
    Vielleicht hatte Lenny die Cops gerufen, als er merkte, dass seine Sendung nicht zugestellt worden war. Vielleicht befand sich in dem Umschlag eine Menge Geld und jetzt nahmen alle an, dass der Fahrradkurier sich damit aus dem Staub gemacht hatte. Vielleicht lief, während Jace hier stand und von einem Typen, der einen orangefarbenen Turban trug und mit einer Pistole auf ihn zielte, einen Schokoriegel zu kaufen versuchte, bereits die Fahndung nach ihm und die Streifenwagen des LAPD fuhren auf der Suche nach ihm die Straßen ab.
    Der Kassierer legte seine Pistole so beiläufig auf den Tresen, als lege er eine Zigarette auf dem Rand eines Aschenbechers ab. »Ein Mord«, sagte er. »Ich hab's über den Polizeifunk gehört.«
    Jace spürte, wie alles Blut aus seinem Gesicht wich.
    »Wer?«, fragte er, während er nach wie vor auf die Ansammlung von Wagen auf der anderen Straßenseite einen Block weiter

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