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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Sechsjährige von damals vor. Alle schielen aus dem Augenwinkel auf den Verrückten.«
    »Wer zum Beispiel?«
    »Froelich.«
    »Hat sie was in dieser Richtung geäußert?«
    »Ich irritiere sie, das ist klar.«
    »Der Secret Service ist eine Zivilbehörde. Bestenfalls paramilitärisch. Fast so schlimm wie gewöhnliche Bürger.«
    Er lächelte. Sagte nichts.
    »Also, wie lautet das Ergebnis?«, fragte Neagley. »Läufst du in Zukunft mit dem Gefühl herum, den Tod deines Bruders verschuldet zu haben?«
    »Vielleicht ein bisschen«, antwortete er. »Aber darüber komme ich hinweg.«
    Sie nickte. »Das wirst du. Und das solltest du. Das war nicht deine Schuld. Er war achtunddreißig. Er hat nicht erwartet, dass sein kleiner Bruder aufkreuzen würde.«
    »Darf ich dich was fragen?«
    »Was?«
    »Es geht um etwas, das Froelich gesagt hat.«
    »Sie fragt sich, warum wir nichts miteinander machen?«
    »Du kapierst schnell«, sagte er.
    »Ich hab’s gespürt«, meinte Neagley. »Sie hat ein bisschen besorgt gewirkt. Ein wenig eifersüchtig. Sogar kühl. Aber da hatte ich sie gerade mit dieser Auditsache in den Hintern getreten.«
    »Stimmt.«
    »Wir beide haben uns niemals auch nur berührt, weißt du das? Wir haben noch nie körperlichen Kontakt gehabt. Du hast mir nie auf die Schulter geklopft, mir nie auch nur die Hand geschüttelt.«
    Er sah sie an und ließ die vergangenen fünfzehn Jahre Revue passieren.
    »Tatsächlich?«, fragte er. »Ist das gut oder schlecht?«
    »Es ist gut«, antwortete sie. »Aber frag nicht, warum.«
    »Okay«, sagte er.
    »Das liegt an mir. Frag mich nicht, warum, aber ich mag es nicht, angefasst zu werden. Und du hast mich nie berührt. Ich hab immer geglaubt, du könntest es spüren. Und das ist einer der Gründe, warum ich dich so schätze und immer gern gehabt habe.«
    Er schwieg.
    »Auch wenn du in die Besserungsanstalt gehört hättest«, fügte sie hinzu.
    »Genau wie du!«
    »Wir hätten ein gutes Team abgegeben«, sagte sie. »Wir sind ein gutes Team. Du solltest mit mir nach Chicago kommen.«
    »Ich bin ein Vagabund«, erwiderte er.
    »Okay, ich will nicht drängen«, sagte sie. »Und sieh die Sache mit Froelich positiv. Sie ist eine nette Frau. Mach ihr ein paar Zugeständnisse. Amüsiert euch miteinander. Ihr passt gut zusammen.«
    »Okay«, sagte er. »Vermutlich hast du Recht.«
    Neagley stand auf und gähnte.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er.
    Sie nickte. »Ja, mir geht’s gut.«
    Dann warf sie ihm eine Kusshand zu und verließ das Zimmer.
    Er war müde, aber überdreht und konnte nicht schlafen. Also trat er an den Kleiderschrank und zog Joes Pappkarton heraus. Er erwartete nicht, darin etwas Interessantes zu finden. Der Karton würde altes Zeug enthalten. Niemand lässt wichtige Sachen im Haus seiner Freundin zurück, wenn er weiß, dass er sie bald verlassen wird.
    Er stellte den Karton aufs Bett und klappte den Deckel auseinander. Als Erstes entdeckte er ein Paar Schuhe. Sie sahen ziemlich alt und mitgenommen aus und waren an der Querseite des Kartons verstaut. Klassische schwarze Schuhe, gutes Leder, ziemlich schwer, mit Ziernähten und Zehenkappen. Dünne Schuhbänder in fünf Ösen. Vermutlich importiert. Aber nicht aus Italien. Dazu waren sie zu solide. Vermutlich aus England. Wie die Royal-Air-Force-Krawatte.
    Er stellte sie auf die Tagesdecke. Der rechte Absatz war stärker abgetreten als der linke. Er konnte die Form von Joes Füßen in ihnen sehen. Seinen darüber aufragenden Körper. Sie glichen einer Totenmaske.
    Weiter befanden sich in dem Karton drei Bücher. Eines hieß In Swanns Welt und war der erste Band von Marcel Prousts Romanzyklus Auf der Suche nach der verlorenen Zeit . Ein französisches Taschenbuch mit einem schlichten Umschlag. Er blätterte es durch. Er verstand die Sprache, doch der Inhalt ging über seinen Horizont. Das zweite Buch war ein großes und schweres College-Lehrbuch über Statistikanalyse. Er warf einen Blick hinein und legte es dann wegen der Sprache und des Inhalts rasch beiseite.
    Er griff nach dem dritten Buch und erkannte es sofort wieder. Er hatte es Joe zu seinem dreißigsten Geburtstag geschenkt. Dostojewskis Schuld und Sühne in einer englischen Ausgabe, die er in einem Pariser Antiquariat erstanden hatte. Er wusste sogar noch den genauen Preis. Es war keine wertvolle Erstausgabe oder Ähnliches, jedoch ein schöner Band mit einer großartigen Story.
    Er schlug das Vorsatzblatt auf. Die Widmung lautete: Joe, vermeide

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