Tödliche Absicht
Freie.«
»Ins Freie ?«, fragte Bannon. »Ist das nicht schlechter?«
»Nein«, antwortete Froelich. »Alles in allem ist es besser. Der Speisesaal ist ein langer niedriger Raum mit hinten angebauter Küche. Er wird völlig überfüllt sein. Wir haben keine Möglichkeit, an den Eingängen Metalldetektoren aufzustellen. Es ist Ende November, und die meisten der Obdachlosen werden fünf Lagen Kleidung übereinander tragen und alles mögliche Metallzeug bei sich haben. Wir sind nicht in der Lage, sie zu durchsuchen. Das würde endlos lange dauern, und Gott allein weiß, mit wie vielen Krankheiten meine Leute sich dabei anstecken könnten. Diese Typen hätten eine reale Chance, sich unter die Obdachlosen zu mischen und nahe heranzukommen, was wir nicht wirklich verhindern können.«
»Was ist der Vorteil im Freien?«
»Dort gibt es einen seitlichen Hof. Wir stellen den Serviertisch rechtwinklig zum Gebäude auf und reichen die Speisen durchs Küchenfenster hinaus. Hinter dem Serviertisch befindet sich die Hofwand. Wir postieren Armstrong, seine Frau und vier Agenten mit dem Rücken zur Wand nebeneinander am Serviertisch. Die Gäste stellen sich von links an und gehen einzeln durch ein Spalier aus weiteren Agenten. Sie bekommen ihr Essen, gehen nach rechts und setzen sich in den Speisesaal, um es zu verzehren. Das wird auch den Fernsehleuten besser gefallen. Für sie ist es im Freien immer besser. Und alle Bewegungen finden geordnet statt. Von links nach rechts am Tisch entlang. Truthahn von Armstrong, Füllung von Mrs. Armstrong. Weitergehen, hinsetzen, essen.«
»Vorteile?«, fragte Stuyvesant.
»Viele«, sagte Froelich. »Wir haben die Gäste weit besser unter Kontrolle. Niemand kann eine Waffe ziehen, bevor er in Armstrongs Nähe ist, weil alle durch ein Spalier von Agenten gehen müssen, bis sie ihm am Tisch gegenüberstehen. Versucht jemand, erst dann eine Waffe zu ziehen, hat Armstrong vier Agenten neben sich.«
»Nachteile?«
»Wenige. Wir sind dort auf drei Seiten von Mauern abgeschirmt. Aber der Hof ist nach vorn offen. Genau gegenüber auf der anderen Straßenseite steht ein Block aus vierstöckigen Gebäuden. Leer stehende Lagerhäuser. Die Fenster sind mit Brettern vernagelt, was ein großer Vorteil ist. Aber wir müssen auf jedem Dach einen Agenten postieren und sollten für heute das Budget vergessen.«
Stuyvesant nickte. »Okay. Guter Plan.«
»Und das Wetter scheint ausnahmsweise mal mitzuspielen«, fügte Froelich hinzu.
»Ist das im Prinzip ein konventioneller Plan?«, fragte Bannon. »Entspricht er der üblichen Vorgehensweise des Secret Service?«
»Dazu möchte ich mich lieber nicht äußern«, antwortete Froelich. »Der Secret Service spricht nicht über Verfahrensfragen.«
»Arbeiten Sie mit mir zusammen, Ma’am«, sagte Bannon. »Wir sitzen hier alle im selben Boot.«
»Sie können’s ihm ruhig sagen«, meinte Stuyvesant.
Froelich zuckte mit den Schultern. »Okay«, begann sie. »Der Plan ist konventionell. Die räumlichen Verhältnisse lassen uns nicht allzu viele Möglichkeiten. Wieso wollen Sie das wissen?«
»Weil wir in diesen Fall viel Arbeit investiert haben«, antwortete Bannon. »Uns viele Gedanken gemacht haben.«
»Und?«, fragte Stuyvesant.
»Wir haben es hier mit vier spezifischen Faktoren zu tun. Erstens: Die ganze Sache hat vor siebzehn Tagen angefangen, richtig?«
Stuyvesant nickte.
»Und wer leidet darunter?«, fragte Bannon. »Das ist die erste Frage. Zweitens: Denken Sie an die Demonstrationsmorde in Minnesota und Colorado. Wie haben Sie davon erfahren? Das ist die zweite Frage. Drittens: Welche Waffen wurden dort benützt? Und viertens: Wie ist die vorläufig letzte Mitteilung auf dem Fußboden von Ms. Froelichs Diele gelandet?«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Dass alle vier Faktoren in eine bestimmte Richtung deuten.«
»Welche Richtung?«
»Welchen Zweck haben diese Mitteilungen?«
»Es sind Drohungen«, sagte Froelich.
»Wen bedrohen sie?«
»Armstrong natürlich.«
»Tun sie das? Manche waren an Sie adressiert, manche an ihn. Aber hat er irgendeine zu Gesicht bekommen? Wenigstens die direkt an ihn adressierten Drohungen? Weiß er überhaupt, dass sie eingegangen sind?«
»Wir informieren unsere Schützlinge niemals. Grundsätzlich nicht.«
»Armstrong schwitzt also nicht, stimmt’s? Wer schwitzt?«
»Wir.«
»Zielen diese Drohungen also tatsächlich auf Armstrong – oder zielen sie in Wirklichkeit auf den United States Secret Service?
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