Tödliche Absicht
eine Reservewaffe liegen.«
»Ich weiß«, meinte Reacher. »Eine alte Beretta.«
Sie zog die Schublade links daneben auf. »Die Magazine sind auch weg. Hier drinnen hatte ich Munition aufbewahrt.«
»Ich weiß«, sagte Reacher wieder. »Unter einem Topfhandschuh.«
»Woher weißt du das?«
»Ich hab mich am Montagabend ein bisschen umgesehen.«
»Warum?«
»Gewohnheit«, erwiderte er. »Nimm’s nicht persönlich.«
Sie starrte ihn an, dann öffnete sie den Wandschrank, in dem das Geld versteckt war. Er sah, wie sie einen Blick in den Keramiktopf warf. Da sie nichts sagte, nahm er an, dass das Geld noch da war. Er speicherte diese Beobachtung – als Bestätigung einer Überzeugung: Leute suchen nicht gern über Kopfhöhe.
Dann erstarrte sie.
»Sie könnten noch im Haus sein«, flüsterte sie.
Aber sie rührte sich nicht von der Stelle. Dies war das erste Anzeichen von Angst, das er jemals bei ihr bemerkt hatte.
»Ich sehe nach«, sagte er. »Außer das ist eine ungesunde Reaktion auf eine Herausforderung.«
Froelich gab ihm ihre Pistole. Er knipste das Licht in der Küche aus, um nicht oben an der Kellertreppe als Silhouette zu erscheinen, und ging langsam hinunter. Horchte angestrengt über die Geräusche des Hauses und das leise Gluckern der Heizung hinweg. Blieb stehen und wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Hier unten war niemand. Auch oben im ersten Stock nicht. Leute, die versteckt lauern, senden Vibrationen aus. Winzige Laute und Schwingungen. Aber er spürte nichts Derartiges. Bis auf das nicht an seinem gewohnten Platz stehende Telefon, die verschwundene Beretta samt Munition und die Nachricht auf dem Boden in der Diele war das Haus unberührt. Er kam in die Küche zurück und hielt Froelich die SIG-Sauer mit dem Griff voraus hin.
»Alles in Ordnung«, sagte er.
»Ich muss sofort telefonieren«, sagte sie.
Special Agent Bannon erschien vierzig Minuten später mit einer FBI-Limousine und drei Angehörigen seiner Sonderkommission. Stuyvesant traf fünf Minuten nach ihnen mit einem Suburban des Secret Service ein. Beide ließen ihre Wagen mit eingeschalteten Blinkleuchten in der zweiten Reihe geparkt, sodass blaue, rote und weiße Lichtblitze über die Nachbarhäuser hinweghuschten. Stuyvesant blieb auf der Schwelle des Hauses stehen.
»Wir sollten doch keine weiteren Mitteilungen erhalten«, sagte er.
Bannon kniete vor dem Blatt Papier, um es genauer zu betrachten.
»Diese hier enthält nichts Neues«, erklärte er. »Wir haben vorausgesagt, dass wir keine Genauigkeit im Detail bekommen würden. Und das hat sich bestätigt. Das Wort bald ist in Bezug auf Ort und Zeit bedeutungslos. Es ist nur höhnisch gemeint. Wir sollen davon beeindruckt sein, wie clever sie sind.«
»Ich war schon beeindruckt, wie clever sie sind«, entgegnete Stuyvesant.
Bannon sah zu Froelich. »Wie lange waren Sie außer Haus?«
»Den ganzen Tag«, antwortete Froelich. »Wir sind um halb sieben zu der Besprechung mit Ihnen weggefahren.«
»Wir?«
»Reacher übernachtet hier«, sagte sie.
»Aber jetzt nicht mehr«, verkündete Bannon. »Keiner von Ihnen bleibt hier. Das ist zu gefährlich. Wir bringen Sie an einem sicheren Ort unter.«
Froelich schwieg.
»Sie sind hier in Washington«, fuhr Bannon fort, »und haben sich irgendwo verkrochen. Vermutlich sind sie ein paar Stunden nach Ihnen angekommen. Die Typen wissen, wo Sie wohnen. Und wir müssen hier arbeiten. Dies ist ein Tatort.«
»Dies ist mein Haus«, widersprach Froelich.
»Es ist ein Tatort«, wiederholte Bannon. »Sie waren hier. Wir müssen es ziemlich auf den Kopf stellen. Da ist es besser, wenn Sie wegbleiben, bis wir wieder Ordnung geschaffen haben.«
Froelich sagte nichts.
»Keine Einwände«, ergriff Stuyvesant das Wort. »Ich will, dass Sie in Sicherheit sind. Wir bringen Sie in einem Motel unter, mit ein paar U. S. Marshals vor der Tür, bis die Sache vorbei ist.«
»Neagley auch«, warf Reacher ein.
Stuyvesant nickte.
»Keine Sorge«, sagte er. »Ich hab schon jemanden losgeschickt, um sie abholen zu lassen.«
»Nachbarn?«, fragte Bannon.
»Kenne ich kaum«, antwortete Froelich.
»Möglicherweise haben sie etwas gesehen«, meinte Bannon. Er sah auf seine Uhr. »Vielleicht sind sie noch auf. Das hoffe ich zumindest. Zeugen aus dem Bett zu holen verärgert sie im Allgemeinen sehr.«
»Sucht also zusammen, was ihr braucht, Leute«, drängte Stuyvesant. »Wir fahren sofort ab.«
Reacher stand in
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