Tödliche Absicht
Street mit fünfzig Meter Abstand hinter ihm her. Ich möchte, dass Sie vorausgehen und die Augen offen halten.«
»Wann ist’s so weit?«
»In den nächsten zehn Minuten. Die Straße entlang und dann links.«
»Okay«, sagte er. Sie ließ den Motor wieder an und fuhr ein Stück vor, damit er außerhalb des Sichtschutzes aussteigen konnte. Er schloss die Autotür hinter sich, zog den Reißverschluss seiner Jacke zu und machte sich auf den Weg. Die First Street entlang und links auf die C Street. Vor sich hatte er den Verkehr auf der Delaware Avenue, und jenseits der breiten Straße konnte er die Capitol Plaza sehen. Dort gab es niedrige, unbelaubte Bäume, braungelbe Rasenflächen und mit Sandsteinsplitt bestreute Fußwege. In der Platzmitte ein Brunnen. Rechts davon ein künstlich angelegter Teich. Weit links im Hintergrund eine Art Obelisk, irgendein Denkmal.
Reacher schlängelte sich durch den Verkehr auf der Delaware Avenue. Ging über die Plaza. Splitt knirschte unter seinen Schuhen. Es war empfindlich kalt. Kurz vor dem Brunnen machte er Halt. Sah sich um. Das Gelände war nach allen Richtungen gut zu überblicken. Im Norden erstreckte sich eine freie Fläche bis zu einem Halbkreis aus Fahnenmasten mit den Flaggen der Bundesstaaten, irgendeinem weiteren Denkmal und dem massigen Bau der Union Station. Im Süden lag nur das Capitol Building. Und vor ihm im Westen ragte ein Gebäude auf, das er für das Arbeitsministerium hielt. Er machte einen Rundgang um den Brunnen, bemerkte aber nichts Beunruhigendes. Kaum Deckung, dafür keine Fenster in der Nähe. Im Park waren Leute unterwegs, aber kein Attentäter treibt sich nur für den Fall, dass jemand plötzlich einen Termin ändert, den ganzen Tag im Freien herum.
Er setzte sich wieder in Bewegung. Die C Street führte jenseits der Plaza weiter – ziemlich genau gegenüber dem Obelisken, der eigentlich eine hohe Steintafel war. Ein Schild wies darauf: Taft Memorial. Die C Street kreuzte erst die New Jersey, dann die Louisiana Avenue. Dort gab es Fußgängerüberwege. Der Verkehr war dicht. Armstrong würde einige Zeit an den Ampeln warten müssen. Die armenische Botschaft lag vorne links. Dort fuhr gerade ein Streifenwagen vor. Er parkte am Randstein. Vier Cops stiegen aus. In der Ferne hörte er einen Hubschrauber, drehte sich um und sah ihn tief im Nordwesten den Rand des gesperrten Luftraums über dem Weißen Haus entlangfliegen. Das Arbeitsministerium lag genau vor ihm. Es hatte viele Nebeneingänge.
Reacher überquerte die C Street, um auf den nördlichen Gehsteig zu gelangen. Schlenderte fünfzig Meter weit bis zu einer Stelle, von der aus er die Plaza überblicken konnte. Wartete. Der Hubschrauber flog tief genug, um unübersehbar zu sein, doch auch hoch genug, um nicht zu viel Lärm zu machen. Er sah, wie Froelichs Suburban, der in der Ferne winzig aussah, um die Ecke bog. Das Fahrzeug hielt am Bordstein und wartete. Er beobachtete die Passanten. Die meisten Leute hatten es eilig. Zum Herumbummeln war es viel zu kalt. Weit jenseits des Brunnens erkannte er eine Gruppe von Menschen. Sechs Männer in dunklen Mänteln umgaben einen siebten Mann in einem khakifarbenen Regenmantel. Sie hielten sich in der Mitte des Fußwegs, der über die Plaza führte. Die beiden vordersten Agenten hielten wachsam Ausschau. Die anderen vier umgaben Armstrong in einem engen Kordon. Sie passierten den Brunnen und gingen in Richtung New Jersey Avenue weiter. Blieben an der Fußgängerampel stehen. Armstrong trug keine Kopfbedeckung. Der Wind zerzauste ihm das Haar. Auf der Fahrbahn schob sich ein endloser Autostrom an ihm vorbei. Niemand beachtete ihn. Froelichs Suburban verharrte mit laufendem Motor fünfzig Meter hinter der Gruppe am Randstein. Die Fußgängerampel sprang auf Grün um. Armstrong und sein Team liefen weiter. Das Unternehmen verlief glatt.
Doch plötzlich änderte sich alles.
Als Erstes ließ der Wind den Polizeihubschrauber etwas abdriften. Dann, als Armstrong und seine Leute sich auf halber Strecke über die schmale dreieckige Landzunge zwischen New Jersey und Louisiana Avenue befanden, passierte Folgendes: Ein entgegenkommender Passant, ein Mann mittleren Alters, ungepflegt und hager, blieb in etwa zehn Metern Entfernung plötzlich wie erstarrt stehen. Er trug einen speckigen alten Trenchcoat mit verknotetem Gürtel. Ein paar Sekunden später stürmte er mit langen Schritten und kreiselnden Armen auf Armstrong zu. Sein aufgerissener Mund stieß
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