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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Mitteilung aufgetaucht ist?«, fragte sie.
    »Natürlich«, antwortete die Sekretärin.
    »Warum hat Mr. Stuyvesant seinen Aktenkoffer hier bei Ihnen gelassen?«
    Die Sekretärin überlegte kurz. »Weil es Donnerstag war.«
    »Was passiert an Donnerstagen? Hat er da eine frühe Besprechung?«
    »Nein, seine Frau fährt nach Baltimore, immer dienstags und donnerstags.«
    »Was gibt es da für einen Zusammenhang?«
    »Sie arbeitet dort ehrenamtlich in einem Krankenhaus.«
    Neagley sah sie an. »Ich meine, wie wirkt sich das auf den Aktenkoffer ihres Ehemanns aus?«
    »Sie fährt«, erwiderte die Sekretärin. »Sie nimmt das Auto. Die Stuyvesants haben nur eins. Auch keinen Dienstwagen, weil Mr. Stuyvesant nicht mehr im Einsatz ist. Deshalb muss er mit der Metro ins Büro fahren.«
    Neagley machte ein verständnisloses Gesicht. »Mit der U-Bahn?«
    Die Sekretärin nickte. »Für die beiden Tage hat er einen speziellen Aktenkoffer, weil er ihn auf den Boden des U-Bahn-Wagens stellen muss. Das will er mit seinem normalen Aktenkoffer nicht tun, weil er glaubt, er könnte schmutzig werden.«
    Neagley war ratlos. Reacher dachte an die Überwachungsvideos, die Stuyvesant zeigten, wie er am späten Mittwochabend das Büro verließ und am frühen Donnerstagmorgen dorthin zurückkehrte.
    »Mir ist kein Unterschied aufgefallen«, sagte er. »Ich dachte, das sei derselbe Aktenkoffer.«
    Die Sekretärin nickte zustimmend.
    »Die Koffer sind identisch«, erklärte sie. »Gleiches Modell, gleiches Anschaffungsjahr. Er will nicht, dass Leute den Unterschied bemerken. Aber einer ist fürs Auto, der andere für die U-Bahn.«
    »Warum?«
    »Er hasst Schmutz. Ich glaube, er hat Angst davor. Dienstags und donnerstags nimmt er den U-Bahn-Aktenkoffer überhaupt nicht mit in sein Büro. Er lässt ihn den ganzen Tag bei mir stehen, und ich bringe ihm Sachen daraus. Bei Regenwetter bleiben auch seine Schuhe hier draußen. Als ob sein Büro ein japanischer Tempel wäre.«
    Neagley sah zu Reacher und verzog das Gesicht.
    »Ein harmloser Spleen«, sagte die Sekretärin. Dann senkte sie die Stimme, als könnte ihr Chef sie bis ins Weiße Haus hören. »Und meiner Meinung nach völlig überflüssig. Die Washingtoner Metro ist dafür berühmt, die sauberste U-Bahn der Welt zu sein.«
    »Okay«, sagte Neagley. »Trotzdem komisch.«
    »Und harmlos«, meinte die Sekretärin.
    Reacher verlor das Interesse an diesem Gespräch und begutachtete den Notausgang zur Feuertreppe. Die Tür war in Taillenhöhe mit einem Bügelgriff aus gebürstetem Edelstahl versehen, wie es die hiesigen Bauvorschriften verlangten. Als er die Finger auf den Griff legte, klickte der Mechanismus. Er drückte ihn etwas fester herunter, bis der Bügelgriff sich an die lackierte Fläche anlegte und die Tür sich aufstoßen ließ. Es war eine schwere Brandschutztür, deren Gewicht von drei massiven Stahlangeln getragen wurde. Er trat hindurch und stand in einem kleinen, quadratischen Treppenhaus mit einer Betontreppe, die deutlich neuer als der Rest des Gebäudes war. Sie führte in die oberen Stockwerke und ins Erdgeschoss. Die Handläufe bestanden aus Stahlrohren. Auf den Treppenabsätzen gab es eine Notbeleuchtung hinter Sicherheitsglas in Drahtkäfigen. Bei der Modernisierung des Gebäudes war hier im rückwärtigen Teil offenbar Platz für eine vorschriftsmäßige Feuertreppe geschaffen worden.
    Vom Treppenhaus aus ließ die Tür sich mit einem Drehknopf öffnen, der denselben Riegel wie der Bügelgriff betätigte. Darunter befand sich ein Schlüsselloch, aber der Drehknopf war nicht verriegelt. Er ließ sich mühelos betätigen. Nur vernünftig, sagte er sich. Das Gebäude als Ganzes wurde streng bewacht und war sicher. Folglich war es überflüssig, die einzelnen Stockwerke voneinander zu isolieren. Er ließ die Tür hinter sich zufallen und wartete ein paar Augenblicke im Halbdunkel des Treppenhauses. Drehte dann wieder den Knopf, öffnete die Tür, betrat mit einem Schritt den hellen Vorraum, hob den Kopf und sah zu der Überwachungskamera auf. Sie befand sich genau über seinem Kopf und war so montiert, dass sie ihn gleich beim nächsten Schritt erfassen würde. Er bewegte sich langsam weiter und schloss dabei die Tür hinter sich. Kontrollierte die Kamera erneut. Sie würde ihn jetzt erfasst haben. Und er war noch immer mehr als zweieinhalb Meter von Stuyvesants Bürotür entfernt.
    »Die Raumpfleger haben den Brief zurückgelassen«, sagte die Sekretärin. »Das ist die

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