Tödliche Absicht
reden. Vielleicht wollte er das ja, aber er wusste, dass er das unter keinen Umständen tun durfte. Ich möchte lieber nicht darüber spekulieren, was seiner Frau alles angedroht wurde.«
»Kommt er wieder in Ordnung?«, fragte Stuyvesant.
»Hängt davon ab, wie gesund sein Herz ist. Tendiert er zu einem Herzleiden, könnte sein Zustand sich dramatisch verschlechtern. Die Belastung fürs Herz ist wirklich enorm.«
»Wann können wir mit ihm reden?«
»Nicht so bald. Hängt im Prinzip von ihm ab. Er muss aus diesem Zustand rauskommen.«
»Das wäre äußerst wichtig. Er besitzt entscheidend wichtige Informationen.«
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Kann Tage dauern«, sagte er. »Vielleicht kommt er auch nie wieder aus diesem Zustand heraus.«
Sie warteten eine frustrierende Stunde, in der sich nichts veränderte. Nendick lag von piepsenden Geräten umgeben reglos da. Sie gaben auf und fuhren ins Büro zurück. Suchten den Konferenzraum auf, um die nächste wichtige Entscheidung zu treffen.
»Armstrong muss davon erfahren«, sagte Neagley. »Sie haben ihre Demonstration inszeniert. Jetzt werden sie zur Tat schreiten.«
Stuyvesant schüttelte den Kopf. »Wir sagen ihnen nie etwas. Das ist ein eiserner Grundsatz. So verfahren wir seit hundertein Jahren. Daran wird auch jetzt nicht gerüttelt.«
»Dann sollten wir die Zeit, in der er Gefahren ausgesetzt ist, drastisch reduzieren«, sagte Froelich.
»Nein«, widersprach Stuyvesant. »Damit würden wir unsere Niederlage eingestehen – und das ist nicht ungefährlich. Weichen wir dieses eine Mal zurück, tun wir das in Zukunft vor jeder eingehenden Drohung. Und das darf nicht passieren. Wir müssen ihn mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln beschützen. Lassen Sie uns also jetzt mit der Planung beginnen. Was wissen wir?«
»Dass zwei Männer bereits tot sind«, antwortete Froelich.
»Zwei Männer und eine Frau«, sagte Reacher. »Laut Statistik. Entführt ist in neunundneunzig von hundert Fällen wie tot.«
»Die Fotos waren Beweise, dass sie lebt«, entgegnete Stuyvesant.
»Nur bis der arme Kerl seinen Auftrag ausgeführt hat. Was bereits vor fast zwei Wochen der Fall war.«
»Er hält sich weiterhin an die Abmachung. Er redet nicht. Deshalb werde ich die Hoffnung nicht aufgeben.«
Reacher schwieg.
»Wissen Sie irgendwas über sie?«, fragte Neagley.
Stuyvesant schüttelte den Kopf. »Hab sie nie kennen gelernt. Weiß nicht mal, wie sie mit Vornamen heißt. Auch Nendick kenne ich kaum. Er ist nur irgendein Techniker, dem ich manchmal auf dem Flur begegne.«
Im Raum wurde es still.
»Auch das FBI muss benachrichtigt werden«, sagte Neagley. »Hier geht’s nicht mehr nur um Armstrong. Eine Entführte ist in Lebensgefahr oder bereits tot. Dafür ist das FBI zuständig. Und auch die Morde in zwei Bundesstaaten fallen in seine Zuständigkeit.«
Im Konferenzraum blieb es still. Dann seufzte Stuyvesant und starrte langsam und durchdringend einen nach dem anderen an.
»Ja«, sagte er. »Ich stimme Ihnen zu. Diese Sache ist zu brenzlig. Sie müssen davon erfahren. Gott weiß, wie mir das widerstrebt, aber ich werde sie informieren. Diesen Hieb müssen wir eben einstecken. Ich lasse ihnen unser gesamtes Material zukommen.«
Niemand sprach. Es gab nichts zu sagen, weil dies die einzig richtige Entscheidung war.
»Inzwischen konzentrieren wir uns auf Armstrong«, sagte Stuyvesant. »Mehr können wir nicht tun.«
»Morgen ist er wieder in North Dakota«, sagte Froelich. »Spiel und Spaß im Freien wie zuvor. Am selben Ort wie neulich. Nicht sehr sicher. Wir fliegen um zehn.«
»Und am Donnerstag?«
»Donnerstag ist Thanksgiving. Armstrong gibt in einem Obdachlosenasyl hier in Washington Truthahnbraten aus. Dabei wird er sehr exponiert sein.«
Stuyvesant seufzte wieder und legte beide Hände flach auf den Konferenztisch.
»Okay«, sagte er. »Wir kommen morgen früh um sieben Uhr wieder zusammen. Dem FBI wird es ein Vergnügen sein, einen Verbindungsmann rüberzuschicken.«
Dann stemmte er sich hoch und verließ den Raum, um in sein Büro zurückzugehen und die Telefongespräche zu führen, die zur Folge haben würden, dass seine Karriere auf ewig mit einem Makel behaftet blieb.
»Ich komme mir hilflos vor«, sagte Froelich. »Ich möchte was tun.«
»Du spielst nicht gern in der Verteidigung?«, fragte er.
Sie waren in Froelichs Bett, in ihrem Zimmer. Es war größer als das Gästezimmer. Hübscher und ruhiger, weil es auf der Rückseite des
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