Tödliche Aktien
daran, sie im Stich zu lassen.
Am gleichen Abend rief ich Karen an. Ich wollte mit ihr sprechen, und ich wollte unbedingt etwas über Hartman erfahren. Sie war nicht zu Hause. Nach einiger Zeit versuchte ich es erneut. Sie meldete sich noch immer nicht. Einen letzten Versuch unternahm ich kurz vor Mitternacht. Nichts.
Am nächsten Morgen läutete ich sie um Viertel nach sechs an. Eigentlich ein guter Zeitpunkt, um sie zu erwischen. Ihr Wecker war ständig auf Viertel nach sechs gestellt.
Keine Antwort.
Na gut, ich gebe es zu. Es war nicht unbedingt notwendig, sie so früh anzurufen. Ich wollte einfach sehen, ob sie die Nacht zu Hause verbracht hatte.
Gegen zehn versuchte ich es im Büro.
»Hallo, Mark, wie geht’s?«
»Gut«, sagte ich. »Ich hab’ gestern abend versucht, dich anzurufen.«
Am anderen Ende der Leitung trat eine fast unmerkliche Pause ein. »Na ja, da hast du Pech gehabt. Am Spätnachmittag hatte ich eine Besprechung in Amsterdam. Sie hat sich ein bißchen hingezogen. Da hab’ ich den letzten Flieger verpaßt und mußte in einem Hotel am Flughafen übernachten. Heute morgen hab’ ich das erste Flugzeug nach London erwischt und war nur ein paar Minuten zu spät im Büro.«
»Verstehe«, sagte ich. »Steve hat mich gestern angerufen. Er sagt, ein gewisser Frank Hartman kauft die FairSystems-Aktien auf. Kennst du ihn?«
»Nein«, sagte Karen. »Das heißt, ich habe von ihm gehört. Aber Harrison Brothers macht keine Geschäfte mit ihm. Seine Praktiken gelten als ein bißchen anrüchig.«
»Sie müssen verdammt anrüchig sein, wenn sich sogar Harrison Brothers zu fein für ihn ist.« Unser Arbeitgeber war nicht gerade wählerisch in der Auswahl seiner Geschäftspartner, solange sie ihm eine rasche Mark brachten. »Kannst du mehr über ihn herausfinden? Dich ein bißchen umhören?« Karen zögerte. »Ich würde lieber die Finger davon lassen. Weißt du, ich möchte nicht den Eindruck erwecken, daß ich irgend etwas mit ihm zu tun habe, und wenn es nur Fragen sind.«
»Kannst du nicht wenigstens ein paar ganz diskrete Erkundigungen einziehen?«
Sie zögerte wieder. »Na gut, Mark. Ich will sehen, was sich machen läßt. Ich muß jetzt Schluß machen. Da ist jemand in der anderen Leitung.«
Ich legte den Hörer auf und dachte nach.
Karen hatte also in Amsterdam festgesessen. Aber hatte Sally nicht gesagt, sie wollte mittags wieder im Büro sein? War es denkbar, daß sie das Büro nach dem Mittagessen verlassen hatte, um zu einer Nachmittagsbesprechung nach Amsterdam zu fliegen? Vielleicht, vielleicht auch nicht.
Ich schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich war das alles nur Einbildung. Das Getrenntsein von Karen machte mich vermutlich empfindlicher als sonst.
ACHTZEHN
Als ich Rachel sah, wie sie sich auf dem Flughafen von Edinburgh durch die kleine Gruppe der Wartenden drängte, wurde mir warm ums Herz. Strahlend lächelte sie, als sie mich erblickte. Ohne ihre Proteste zu beachten, nahm ich ihr die Reisetasche aus Segeltuch aus der Hand.
»Sie ist nicht schwer«, sagte sie.
Eine glatte Lüge.
»Tut mir leid, daß ich mich verspätet hab’. Haben Sie meine Nachricht bekommen? In San Francisco sind wir mit dreistündiger Verspätung gestartet, deshalb hab’ ich den Anschlußflug in Heathrow verpaßt.«
Als wir zum schwarzen BMW gingen, verspürte ich einen Anflug von Verlegenheit. Ich warf einen raschen Seitenblick auf Rachel, als sie die Tür öffnete. Täuschte ich mich, oder zog sie die Nase ein wenig kraus, als sie einstieg? Ich schaltete den Motor ein und lenkte den Wagen in Richtung Fifeshire.
Ich fragte Rachel nach Jenson.
»Ich erklärte ihm, daß wir die Arbeit am Projekt Plattform eingestellt hätten und erst wiederaufnehmen würden, wenn er uns bezahlt hätte«, berichtete sie. »Er sagte, wir seien Narren, aber es sei unsere Entscheidung. Dann fragte ich ihn, warum er die versprochene Zahlung nicht leisten wolle. Den Quatsch, daß er uns auf die Probe stellen wolle, könne er aufbinden, wem er wolle, uns aber nicht.«
»Wie raffiniert«, lächelte ich. »Und was hat er gesagt?«
»Wieder das gleiche. Ihn hätten schon früher Zulieferer sitzenlassen, und er wolle nicht, daß ihm das noch mal passierte.«
»Haben Sie ihm geglaubt?«
»Nein, das ist Mist. Ich glaube, er führt irgendwas andres im Schilde.«
»Hat er was gesagt, was darauf schließen läßt, daß er uns kaufen will?« fragte ich.
»Nein, nichts.«
»Aber zahlen wird er nicht?«
»Auf keinen
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