Tödliche Aktien
Dad gewesen«, sagte ich.
»Oh, tatsächlich? Wie war’s?«
»Nicht besonders.«
»Will er dich auf der Sitzung nicht unterstützen?«
»Weiß nicht. Er ist nicht mit der Sprache rausgerückt. Aber nach unserem Gespräch bezweifle ich es.«
»Warum? Was ist passiert?«
»Er behauptet, meine Mutter hätte früher was mit einem anderen Mann gehabt.«
»Tatsächlich? Und glaubst du ihm?«
»Ich denke schon.«
Karen rümpfte die Nase. »Warum hat er dir das erzählt?«
»Wohl wegen des Mannes, der da im Spiel war.«
»Und wer war das?«
»Walter Sorenson.«
»Nein! Das ist nicht dein Ernst!«
»Doch. Er wollte mir klarmachen, daß er Walter vergeben hat. Die Absicht liegt auf der Hand. Ich soll ihm auch endlich verzeihen. Da kann er lange warten.« Wieder fühlte ich die Wut in mir aufsteigen. »Er versucht, mich zu manipulieren, und das stinkt mir.« Ich trank einen Schluck Bier. »Hast du deinem Vater je vergeben?«
Ich sah sie an und war überrascht von der jähen Wut, die in ihren Augen brannte. »Laß mich gefälligst mit meinem Vater in Ruhe! Und mit all diesen Kerlen, die hinter solchen Schlampen her sind! Kannst du nicht begreifen, daß ich das alles satt habe?«
Ich griff nach ihrer Hand. »Tut mir leid, Karen.«
»Faß mich nicht an«, schrie sie. »Bleib mir vom Leib! Ich hab’ die Nase voll von dir. Laß mich doch einfach in Ruhe!«
Sie sprang auf, bemüht, die Tränen zurückzuhalten, und rannte an den glotzenden Gästen vorbei zur Tür. Ich errötete unter deren Blicken, während ich Karen nach draußen folgte.
Es regnete wieder stärker. Karen stand auf dem Fußweg und atmete heftig. Ihr Haar wurde dunkel von der Nässe.
»Laß uns nach Hause fahren und reden«, sagte ich und griff nach ihrer Schulter.
»Ich will nicht mit dir reden!« schrie sie und stieß meine Hand so heftig fort, daß sie mir weh tat. Dann stapfte sie im Regen den Hügel hinauf. Ich sah ihr nach, wie sie mit hochgezogenen Schultern um die Ecke verschwand, und ging nach Hause.
Während ich auf sie wartete, versuchte ich, mir einen Vers auf ihr Verhalten zu machen. Natürlich hatte ich sie schon wütend und traurig erlebt, doch noch nie hatte sich ihre Wut gegen mich gerichtet. Ich fühlte mich elend. In mir stritten Empörung, Hilflosigkeit und Sorge.
Gegen Mitternacht hörte ich endlich ein Klopfen an der Tür. Sie war klitschnaß, und das Wasser rann ihr von Nase, Kinn, Haar und Kleidung.
»Karen …«
»Laß dir ja nicht einfallen, mich jetzt ins Bett zerren zu wollen«, unterbrach sie mich, drückte sich an mir vorbei und rannte die Treppe hinauf. Ein paar Minuten später hörte ich, wie sie sich ein Bad einließ.
Ich saß im Wohnzimmer und wartete, bis sie die Schlafzimmertür zuschlug. Dann ging ich leise die Treppe hoch und legte mich ins Gästezimmer.
Am nächsten Morgen kam sie erst spät herunter. Unter ihren Augen waren dunkle Ringe, und nach ihrem Schniefen zu urteilen, machte ihr eine beginnende Erkältung zu schaffen. Ich hatte auch nicht sehr gut geschlafen und saß ziemlich angeschlagen bei einer Tasse Kaffee und ausgebreiteter Morgenzeitung am Tisch.
Ich wartete.
»Es tut mir leid, Mark.«
Sie trat zu mir, und wir umarmten uns. »Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Tut mir wirklich leid.«
»Ist schon in Ordnung«, sagte ich und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Mach dir keine Gedanken.«
Gar nichts war in Ordnung. Den ganzen Tag über bemühten wir uns, höflich und freundlich miteinander umzugehen und so zu tun, als wäre nichts geschehen. Doch da war etwas geschehen.
Der Sonntag war eine einzige Katastrophe. Wind und Regen waren zurückgekehrt und peitschten wütend gegen die Fenster. Wir verbrachten den größten Teil des Tages im Haus, lasen Zeitung und sahen fern, ohne viel miteinander zu reden. Als es schließlich Zeit wurde, sie zum Flughafen zu fahren, und ich sie in Richtung Abfertigung davoneilen sah, war ich erleichtert. Sie vermutlich auch.
Meine Stimmung war trübselig, als ich durch den nicht nachlassenden Regen nach Kirkhaven zurückfuhr. Alle Hoffnungen, die ich in dieses Wochenende gesetzt hatte, hatten sich zerschlagen. Kirkhaven hatte sich Karen von seiner schlechtesten Seite gezeigt, und von FairSystems hatte sie einen eher negativen Eindruck mit nach Hause genommen. Doch was mich wirklich beunruhigte, war dieser Wutausbruch.
Bis zu einem gewissen Grad konnte ich sie verstehen. Mir war bewußt, wie sehr sie noch immer darunter litt, daß ihr Vater sie
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