Tödliche Aktien
mit einer Frisbeescheibe zu treffen.
»Was machen die denn?« fragte ich mit Unschuldsmiene.
»Tja, das ist ein bißchen schwierig zu erklären«, sagte Rachel verlegen.
Einer von ihnen sah meinen Anzug, und das Spiel endete abrupt.
Ich blickte mich in dem Raum um. Vermutlich hatte ich eine Truppe von Computerdeppen erwartet, völlig verblödete, picklige Twens mit dicken Brillen und fettigen Haaren. Gut, die Sorte gab es auch, aber mich verblüffte doch, wie verschieden die Leute waren. Die meisten waren zwischen zwanzig und dreißig. Aber es gab auch zwei sehr gesetzt wirkende Vierzigjährige, außerdem zwei oder drei Asiaten. Einige trugen T-Shirts und Jeans, andere hatten Schlipse um und Jacketts über der Stuhllehne. Frauen sah man überhaupt nicht. Die Atmosphäre war locker, trotzdem hatte man den Eindruck, daß, von den Frisbeespielern abgesehen, intensiv gearbeitet wurde.
An der gegenüberliegenden Wand war ein Fenster, ungefähr zwei Meter im Quadrat, mit blauweiß gemusterten Vorhängen. Dahinter erstreckte sich eine wilde Moorlandschaft vor dunklen, in der Ferne aufwachsenden Bergen. Im Vordergrund grasten Schafe.
»Hübscher Blick«, sagte ich.
»Gut, nicht?« sagte Rachel. »Erstaunlich, was das ausmacht. Es ist ein Bildschirm von einer Demo voriges Jahr. Jede Woche wird die Landschaft gewechselt. Das ist, glaube ich, die Isle of Skye. Sie müssen zugeben, daß sie besser aussieht als alles, was sich auf der anderen Seite der Mauer befindet.«
Dann wandte sie sich wieder dem Raum zu. »Das hier ist die wahre Stärke von FairSystems«, sagte sie mit einem Anflug von Stolz. »Für die Erzeugung einer virtuellen Welt sind mehrere Schritte erforderlich. Zunächst beschreibt man die Form eines Objektes, beispielsweise eines Stuhls, in Form von mathematischen Formeln und Koordinaten. Dann gibt man die Oberflächenbeschaffenheit hinzu – etwa Stoff, Leder oder Holz. Und nun braucht man ein Programm, das ausrechnet, wie der Stuhl aussieht, wenn er oder der Betrachter sich bewegt. Das ist das wichtigste Element der Virtuellen Realität. Wir haben einen eigenen Simulationsmanager entwickelt, der das besorgt, und zwar hervorragend besorgt. FairSim1 ist sein Name.
Wie Sie sich vorstellen können, ist Virtuelle Realität auf Rechnerkapazität in rauhen Mengen angewiesen. Immer wenn wir etwas Neues ausprobieren, scheitert es an der Rechenleistung. Wenn ein Programmierer eine Welt entwirft, muß er stets eine ganze Reihe Abstriche machen. Er kann die Welt dreißigmal in der Sekunde neu berechnen lassen, so daß die Bewegungen so fließend und übergangslos erscheinen wie im Fernsehen, er kann seine virtuellen Objekte mit realistischen Oberflächen ausstatten, er kann für exakte Licht- und Schattenverhältnisse sorgen, für naturgetreue Formen oder realistischen dreidimensionalen Klang, oder er kann dem Benutzer ein weites Gesichtsfeld anbieten, aber eben nicht alles zugleich. FairSim1 trifft in der Echtzeit, während das System arbeitet, eine intelligente Auswahl unter diesen Abstrichen. So holt es eine maximale Wirkung aus der zur Verfügung stehenden Rechenleistung heraus, egal, wie groß sie ist. Es ist ganz einfach das beste Programmpaket der Welt.«
Die letzte Feststellung machte Rachel ganz nüchtern, ohne eine Spur von Überheblichkeit. Ganz offensichtlich war das ihre ehrliche Meinung.
Sie warf einem Mitglied der Gruppe, die sich mit der Frisbeescheibe amüsiert hatte, einen Blick zu. Der Mann stand auf und kam zu uns herüber. Er war groß, sehr schlank und bewegte sich rasch. Das dunkle Haar trug er lang, bekleidet war er mit schwarzen Jeans und einem T-Shirt.
»Keith Newall, Leiter unserer Chipabteilung. Keith, das ist Mark, Richards Bruder.«
»Freut mich. Mann, das mit Ihrem Bruder tut mir wahnsinnig leid.«
Ich lächelte ihm zu.
»Früher hat Keith für Motorola in Kalifornien gearbeitet. Deshalb hat er einen so komischen Akzent. Aber lassen Sie sich nicht täuschen. Er kommt aus Kirkcaldy.«
»Vielen Dank für die nette Vorstellung, Rachel«, sagte Keith. Er sprach schnell wie ein Maschinengewehr, wobei sein Adamsapfel auf- und abtanzte. Ein kaum noch erkennbarer schottischer Akzent war wie bei David Baker von amerikanischen Einflüssen überlagert. »Die Spielerei mit der Frisbeescheibe tut mir leid. Das ist Matt Gregory, Chef von Chips with Everything.« Er wies auf einen jungen Mann mit spärlichem Bartwuchs, der den Stein des Anstoßes auf seinem Finger tanzen ließ. »Wenn er
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