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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Erfahrung zu bringen, ob sie etwas über Richards Tod wußte.
    »Haben Sie eine Ahnung, wer ihn getötet haben könnte?«
    Das war natürlich eine törichte Frage. Bleich und regungslos sah sie mich an.
    »Nein«, sagte sie und biß sich auf die Unterlippe.
    Einen Augenblick zögerte ich. »Bevor er starb, hat er sich mit mir verabredet, um etwas mit mir zu besprechen. Wissen Sie, was das gewesen sein könnte?«
    Noch immer ließ ihr Gesicht erkennen, daß sie nur mühsam ihre Fassung wahrte. »Ich möchte nicht über ihn sprechen, okay?« Ihre Stimme ließ keine Diskussion zu.
    »Okay«, sagte ich etwas verärgert. Aber sie hatte wohl das Recht, mit ihrer Trauer auf ihre eigene Weise umzugehen.
    Wieder herrschte verlegenes Schweigen.
    »Ist sonst noch was?« fragte ich schließlich.
    Sie sah mir direkt in die Augen. »Wollen Sie FairSystems verkaufen?«
    Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich gab keine Antwort. Noch wußte ich die Antwort selbst nicht.
    Rachel ließ meinen Blick nicht los. »Die Leute in der Firma machen sich Gedanken. Es heißt, Sie wollen das Geld einsacken und sich aus dem Staub machen.«
    Vielleicht hatten sie recht, dachte ich. Unverwandt ruhten Rachels dunkle Augen auf mir, prüfend und anklagend. Ich wich ihrem Blick aus.
    »Diese ganzen Jahre hindurch haben wir alle hart für Richard gearbeitet. Sein Tod war ein Schock für jeden hier. Für manche war es besonders schlimm. Aber wir wissen alle, worum es ihm ging, und wir möchten weitermachen. Um seinetwillen. Mehr können wir für ihn nicht tun.« Ihr Gesicht blieb maskenhaft starr. »Richard hat gesagt, er würde nie verkaufen. Ich hoffe, Sie verstehen das.«
    Mir ging vieles durch den Kopf. Schuldgefühle, weil ich daran gedacht hatte, Richards Firma zu veräußern, und die Erkenntnis, daß den Mitarbeitern eigentlich ein weiterer Schock nicht zuzumuten war.
    Zu Rachel sagte ich aber nur: »Ja, ich verstehe.«
    »Ich weiß, daß Sie in einer Bank arbeiten«, fuhr sie fort. »Und ich weiß, daß für Leute Ihres Schlages Geld eine wichtige Sache ist. Aber dieses Unternehmen ist mehr als eine Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Es ist Richard. Alles, wofür er gelebt hat, alles, woran er geglaubt hat.
    Die Weichen für die Zukunft der Virtuellen Realität können hier in Glenrothes gestellt werden. Wir stehen kurz davor, Richards Vision zu verwirklichen. Machen Sie das nicht kaputt, es ist zu wichtig.« Ihre Stimme war voller Verachtung. Sie bat mich nicht um etwas, sie forderte es.
    Ich nickte lediglich, um Rachel gegenüber keine Verpflichtung einzugehen, hatte aber ein höllisch schlechtes Gewissen.
    »Ich bring’ Sie zu Willie«, sagte sie.

ACHT
    Willie Duncan hatte ein kleines rundes Gesicht, nervöse Augen hinter einer Nickelbrille, eine faltenlose Babyhaut und krauses rotes Haar. Als wir eintraten, hockte er hinter den Akten und Papieren, die seinen Schreibtisch bedeckten.
    Rachel hatte schon recht. Willies Welt war mir vertrauter als die der anderen. Er beschäftigte sich mit Zahlen, mit Gewinnen und Verlusten. Als Trader kann man vor seiner Gewinn-und-Verlust-Rechnung nicht die Augen verschließen. Schlechte Abschlüsse schlagen als Verluste zu Buche, gute Abschlüsse als Gewinne, Entschuldigungen zählen nicht. Nach meiner Auffassung war das einzige echte Maß für FairSystems’ Wert seine Rentabilität, wenn nicht im Augenblick, dann zumindest im Laufe der nächsten ein, zwei Jahre.
    Schottische Buchprüfer sind gefürchtet, doch Willie hatte wahrlich nichts Furchterregendes. Er besaß auch weder Rachels scharfe Intelligenz noch Davids Schliff, dafür schien er aber FairSystems’ Zahlen gut im Griff zu haben. Alles war schlüssig, alles stimmte.
    Leider, denn was sich dabei herauskristallisierte, war alles andere als erfreulich.
    Alles Geld, das durch die Plazierung von FairSystems an der NASDAQ hereingekommen war, hatten eine Reihe wichtiger Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie die Provisionen für Wagner Phillips verschlungen. Insgesamt fünf Millionen Pfund. Da die Geldmittel wieder knapp wurden, war eine strenge Ausgabenkontrolle verfügt worden. Zwar lieferte das Unternehmen an Kunden, doch nur in der Größenordnung von dreihunderttausend Pfund im Monat. Die monatlichen Verluste betrugen zwischen ein- und zweihunderttausend Pfund. Auf der Bank waren nur noch zweihunderttausend Pfund.
    Glücklicherweise zeigte Willies Prognose auch, daß in den nächsten drei Monaten von Jenson Computer fünfhunderttausend Pfund eingehen

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