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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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auf ein Durcheinander aus Metall- und Elektronikteilen. Es war ein Skitrainingssystem.
    Einen Augenblick zögerte ich, bevor ich ihrer Aufforderung folgte. Sorgsam stellte ich die Füße in die Skistiefel, die auf speziell entwickelten Metallplatten befestigt waren, und setzte eine Datenbrille auf. Plötzlich befand ich mich auf einer Skipiste. Ich war umgeben von Bergen, Himmel, Sonne und glitzerndem Neuschnee. Mit echten Skistöcken stieß ich mich ab und schoß augenblicklich den Hang hinab. Ich hatte das Knirschen des Schnees in den Ohren, und, was noch seltsamer war, ich spürte die Dellen und Unebenheiten des Schnees unter meinen Brettern. Ich probierte einen Schwung, fühlte den Druck in den Beinen und hatte wie selbstverständlich eine andere Blickrichtung. Ich verlor für einen Moment die Orientierung, konnte mich aber schnell an die neue Welt gewöhnen, in der ich mich nun befand. Natürlich sah der Hang nicht vollkommen realistisch aus, und ich spürte nicht jene Mischung aus Sonne, Kälte und Fahrtwind auf dem Gesicht, die ein wesentliches Element des Skilaufens ist, trotzdem war es ein intensives Erlebnis. Und als ich stürzte, tat es kein bißchen weh.
    Es war bestimmt eine phantastische Methode, Ski laufen zu lernen oder alte Fähigkeiten aufzufrischen, bevor man sich wieder auf die Pisten wagte. Ich hätte gern noch einen zweiten Versuch gemacht, aber irgendwie hielt mich Rachels Miene von einer entsprechenden Bitte ab. Widerstrebend folgte ich ihr zu einem kleinen Büro am Ende des Saals.
    Auf unserem Weg dorthin öffnete sich plötzlich links von uns eine Tür, und ein Halbwüchsiger stolperte heraus, sich die Augen reibend. Er war mager und bleich, mit großen Augen, die rotgerändert vor Müdigkeit waren. In der Hand hielt er vier leere Pizzaschachteln. Er lief fast in Rachel hinein.
    »Ich will die Dinger hier loswerden«, sagte er. Dann lächelte er müde. »Prima gelaufen. Wir haben es fast geschafft.«
    »Super, Andy«, sagte Rachel. »Hast du letzte Nacht geschlafen?«
    »Noch nicht«, murmelte der Junge. Dann erst bemerkte er mich und stieß die Tür zu, durch die er gerade gekommen war. Sie trug ein kleines Schild: »Projekt Plattform. Kein Eintritt«. Darunter hatte man einen großen Totenschädel mit gekreuzten Knochen geklebt.
    »Wer ist das denn?« fragte ich, während Andy mit seinen Pizzaschachteln davonschlurfte.
    »Andy Kettering. Wohl der fähigste Programmierer, den wir haben. Und er ist nicht ganz so jung, wie er aussieht. Ich glaube, er ist dreiundzwanzig.«
    »Und was ist das Projekt Plattform?«
    Einen Augenblick sah Rachel mich zögernd an. Schließlich sagte sie: »Das ist ein vertrauliches Projekt, an dem wir im Auftrag eines Dritten arbeiten. Nur fünf Leute in der Firma wissen etwas darüber. Na ja, vier, jetzt, wo Richard nicht mehr da ist.«
    Ich war neugierig, ließ das Thema aber auf sich beruhen. Ich folgte Rachel in einen kleinen Glaskasten. Offensichtlich ihr Büro. Der Tisch war mit Kaffeebechern aus Plastik bedeckt. Mindestens drei überquellende Aschenbecher standen herum. Zwei leere Valpolicella-Flaschen rahmten den Papierkorb ein. Auf der einen Seite des Schreibtisches befanden sich drei säuberlich geschichtete Papierstapel, auf der anderen summte ihr Computer friedlich vor sich hin. Auch sie hatte ein Fenster, allerdings ohne Vorhänge. Man sah eine graue Stadt im frühen Morgendunst und einen breiten Fluß, der das Zentrum durchquerte.
    »Glasgow?«
    »Ja.«
    Ein einsames Schiff fuhr den Clyde hinauf.
    »Richard hat viel in seinem Bootshaus in Kirkhaven gearbeitet«, sagte Rachel. »Da hat er einige wichtige Sachen aufbewahrt. Ob ich wohl mal vorbeikommen und sie abholen kann?«
    »Selbstverständlich. Oder soll ich sie mitbringen?«
    »Nein, machen Sie sich keine Umstände. Das meiste befindet sich sowieso in seinem Computer. Ich muß die Dateien erst überspielen.«
    »Okay. Wann brauchen Sie es?«
    »Sobald wie möglich.«
    »Wie wär’s mit heute abend?«
    »Das geht nicht«, sagte Rachel. »Ich werd’ fast die ganze Nacht hierbleiben. Allerdings könnte ich morgen früh kommen. Halb acht, ist das recht?«
    »Ja, klar.« Ich fragte mich, wann sie schlief. Ob sie überhaupt jemals schlief.
    Einen Augenblick schwiegen wir und standen uns etwas verlegen an einem kleinen Konferenztisch gegenüber.
    Diese Frau hatte jahrelang eng mit Richard zusammengearbeitet. Sie war in alle Geheimnisse von FairSystems eingeweiht. Unwiderstehlich war der Wunsch, in

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