Tödliche Aktien
Arbeitslosen zugunsten der englischen Mittelschicht bluten.
Vor ungefähr vier Jahren schlug Richard ihm dann vor, bei FairSystems anzufangen. Er war einverstanden.«
»Warum hat Richard das getan?«
»Doogie hatte was los, und Richard wußte das. Es gibt nur wenige Leute, die so intelligent sind wie Doogie und so viel von Virtueller Realität verstehen wie er. Wir konnten ihn gebrauchen. Und zunächst machte er sich auch sehr gut. Ein gesundes Mißtrauen gegenüber Autoritäten ist beim Programmieren nur von Vorteil, und davon hatte Doogie wahrlich genug. Außerdem war er ungeheuer fleißig, er war besessen von seiner Arbeit. VR wurde sein Leben; meist arbeitete er sieben Tage die Woche.«
»Genau wie Sie«, warf ich ein.
Rachel lächelte. »Noch schlimmer als ich. Dann fing er an, sich für die Psychologie und Philosophie der Virtuellen Realität zu interessieren; für die Frage, was es konkret bedeutet, wenn man längere Zeit in einer virtuellen Welt verbringt. Und ich glaube, einige seiner Schlußfolgerungen haben ihn nachdenklich gemacht. Beispielsweise hat er gesagt, VR würde einfach eine weitere Methode für das Establishment werden, die Massen zu manipulieren. Da gibt es eine neue Technologie, an die er glaubt, und plötzlich stellt sie sich als ein neues Mittel zur sozialen Kontrolle heraus. Als er zu Richard ging, war FairSystems nicht mehr als ein kleines Team, das an einem wissenschaftlichen Problem arbeitete. Allmählich wurde ihm dann klar, daß sich FairSystems, wenn alles nach Wunsch ging, zu einem großen, profitträchtigen Unternehmen entwickeln würde, einem jener Unternehmen, die er seit jeher haßte. Der Gedanke machte ihn krank. Damals schloß er sich BOWL an, der Liga für die Schöne Alte Welt. Haben Sie davon gehört?«
»Die Polizei hat sie erwähnt. Ein merkwürdiger Name, nicht wahr?«
»Er spielt auf ein Buch von Aldous Huxley an – ›Schöne Neue Welt‹. Dort manipuliert die Regierung die einfachen Leute durch ›Feelies‹, eine Art Virtueller Realität.«
Schwach erinnerte ich mich, das Buch mit seinem reichlich verzerrten Zukunftsentwurf gelesen zu haben. »Und die Leute von BOWL sind der Meinung, man könne VR heute in dieser Weise verwenden?«
»Genau.«
»Ein bißchen extrem die Vorstellung, oder?«
»Ein bißchen sehr extrem«, stimmte Rachel mir zu. »Doch seit einiger Zeit machen sich ja auch anerkannte Wissenschaftler große Sorgen um die Auswirkungen der modernen Technik auf die Gesellschaft. Sie wissen schon – Kinder, die nur noch vor Computerspielen sitzen, Sex und Gewalt im Fernsehen, solche Sachen. Ich glaube, BOWL versteht sich als die Speerspitze der Mahner, die vor den Gefahren künftiger Technologien warnen.«
»Und diesen Spinnern hat sich Doogie angeschlossen?«
»Ja, und er hat es heimlich getan. Er hat ihnen Informationen über unsere Arbeit bei FairSystems geliefert. Doogie war seelisch nie sehr gefestigt, er hat sehr viel gearbeitet und sein inneres Gleichgewicht immer mehr verloren. Allmählich wurde er auch in seiner Arbeit unzuverlässig. Ich weiß nicht, ob er absichtlich Fehler machte oder ob er einfach die Konzentration verlor.
Anfangs hatte Richard viel Verständnis und versuchte, ihm den Druck zu nehmen. Sie kannten sich schon lange. Doch dann kriegte er heraus, daß Doogie vertrauliche Informationen an BOWL weitergab. Da ist er durchgedreht. Nie wieder habe ich ihn so wütend gesehen. Sie wissen ja selbst, wie geduldig und beherrscht er normalerweise war. Ich vermute, es war die menschliche Enttäuschung, die ihm so zu schaffen machte. Jedenfalls hatten Doogie und er einen Riesenauftritt, Doogie verließ das Werk, und die beiden waren fortan erbitterte Feinde.«
»Wann war das?«
»Oh, vor ungefähr einem Jahr.«
»Und was macht Doogie seither?«
»Er lebt nur noch für BOWL. Die Übel der Virtuellen Realität sind für ihn zur Obsession geworden, und FairSystems ist der Hort aller Übel. In den letzten Monaten ist er zur treibenden Kraft eines radikalen Flügels von BOWL geworden, der sich für gewaltsamere Formen des Protestes stark macht. Man hat uns Briefbomben geschickt. Genau wie zwei oder drei anderen VR-Unternehmen. Wir konnten nie beweisen, daß Doogie dahintersteckte, aber sowohl wir wie die Polizei wissen, daß er es war. Außerdem hat er versucht, unser Computersystem zu knacken.«
»Ist er gefährlich?« fragte ich. »Ich meine, würde er ernsthaft gewalttätig werden?«
»Bei Doogie kann man nie wissen. Früher
Weitere Kostenlose Bücher