Tödliche Aktien
Kopf.
»Dem ist gar nichts geblieben. Weniger als nichts; die Bank hat sein Haus kassiert.«
»Sorenson hat mir gesagt, das Unternehmen habe ein neues Management gebraucht.«
»Vielleicht. Aber erklären Sie mir doch mal, warum Sorenson an dem Geschäft mehr als eine Million verdient hat, während Naylor, der Mann, der dieses Wunderding erfunden hat, Pleite gemacht hat?
Sorenson ist ein guter Mann, sicher, aber er verliert nie den eigenen Vorteil aus den Augen. Wenn ich Sie wäre, würde ich mir das gut merken.«
Wir betraten den großen Softwareraum und schlängelten uns an den in ihre Arbeit vertieften Programmierern vorbei. Bis auf das leise Klicken der Tastaturen herrschte Stille; jeder Kopf war einem Bildschirm zugewandt. Ich schaute auf das elektronische Fenster – weißer Sand, Palmen und eine sanfte Dünung, die sich auf dem Strand brach. Ich mußte lächeln: Das hätte Greg gefallen. Trotz dieser Landschaft war der völlige Mangel an echten Fenstern befremdend. Vermutlich hatten die Wände hier drinnen einen noch helleren Grauton als der Himmel, aber ich hätte mich doch gern selbst davon überzeugt.
Rachel schloß die Tür ihres Büros, und wir setzten uns an den kleinen Tisch. »Also, was wollen Sie hören?« fragte sie.
»Ich würde gern mehr über die Anwendungsmöglichkeiten unserer VR-Systeme erfahren. Wir entwickeln doch nicht alle Programme hier im Haus, oder? Wer schreibt die Software?«
»Hier hat sich Richard eine wirklich verblüffende Strategie einfallen lassen«, sagte sie. »Wir sind mit Dutzenden von Softwarefirmen in Verbindung, die alle führend auf ihrem Gebiet sind: computergestützte Konstruktion, Bildung, militärische Simulation und so fort. Wir liefern ihnen die weltgenerierende Software und zum Teil auch die Hardware und unterstützen sie darin, VR-Anwendungen zu entwickeln. Richard hat sie davon überzeugt, daß der Durchbruch der Virtuellen Realität unmittelbar bevorsteht und dank der Technologie von FairSystems gelingen wird.
Dabei war es Richard wichtig, daß sie alle unabhängig blieben. Wir können sie nicht kaufen, und wir wollen es nicht. Genausowenig, wie sie es wollen.«
»Wie sind sie dann bezahlt worden?«
»Nur zum Teil mit Geld. Meist erhielten sie Zugang zu den Ideen und der Ausrüstung anderer beteiligter Firmen. In der ganzen Welt gibt es kleine Firmen, die nach neuen Möglichkeiten der Nutzung unserer Technologie suchen.« Rachel erwärmte sich zusehends für ihr Thema. »So wurde beispielsweise die Arbeit an Bondscape zum größten Teil nicht von Richard selbst geleistet, sondern von einem in New York ansässigen Unternehmen, das auf Finanzsoftware spezialisiert ist.
Innerhalb der nächsten drei Monate werden fünfzehn neue VR-Anwendungspakete fertiggestellt sein. Nach einem halben Jahr werden es vierzig sein. Bondscape gehört dazu. Alle Welt wartet darauf, daß VR-Systeme in Serie gehen und zu einem vernünftigen Preis angeboten werden. Dann wird es einen ungeheuren Boom geben.«
»Und FairSystems wird mittendrin sein?«
»Genau«, sagte Rachel. »Wir fügen alle Teile zusammen. Wir werden viel Geld verdienen.«
Ich war beeindruckt. Offenbar war es Richard gelungen, die Firma geschickt und kostengünstig in eine zentrale Position der entstehenden VR-Industrie zu manövrieren.
»Wie halten Sie Kontakt zu all diesen Leuten?«
»Per E-Mail. Sehen Sie hier!« Sie wandte sich ihrem Computer zu und holte eine Seite voller Nachrichten auf den Schirm. »Heute verständigen sich alle auf diesem Wege. Es klappt gut, vor allem wenn Sie an einem Softwareproblem sitzen. Man kann nämlich neben Textnachrichten auch Dateien verschicken. Unter den Jungs da draußen gibt es viele, die lieber E-Mails austauschen, als sich zu unterhalten, obwohl sie im selben Raum sitzen. Auf diese Weise werden sie nicht in ihren Gedanken gestört.«
Ich betrachtete die Programmierer vor Rachels gläsernem Büro. Da saßen sie und tippten und hingen ihren Gedanken nach. Sehr merkwürdig.
»Ist Walter auch am Netz?«
»O ja. Es ist oft die einzige Möglichkeit, seiner habhaft zu werden. Ich lasse Sie morgen anschließen, sobald Sie in Richards Büro können.«
»Danke.« Ich ging die Nachrichten auf Rachels Schirm durch. Eine begann mit den Worten »Was zum Teufel …«
Ich bat Rachel, sie aufzurufen. Sie tat es nur ungern. Die Nachricht stammte von Matt Gregory, dem Chef von Chips with Everything. Sie war vom selben Tag.
»Was zum Teufel ist los bei Euch?« hieß es dort.
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