Tödliche Beute
alles nach Plan. Beispielsweise war ihr Boot nicht mehr da, wo sie es zurückgelassen hatten.
Ryan glaubte, sie hätten sich im Dunkeln womöglich in der Entfernung getäuscht, und schickte die anderen auf die Suche, während er Wache hielt. Nachdem fünf Minuten vergangen und seine Kameraden noch immer nicht zurückgekehrt waren, folgte er ihnen. Therri und Mercer standen nebeneinander am Ufer und schauten auf den See hinaus.
»Habt ihr es gefunden?«, fragte Ryan.
Keine Antwort, keine Regung. Als er näher kam, erkannte er den Grund dafür. Man hatte den beiden die Handgelenke mit Draht auf den Rücken gefesselt und die Münder mit Klebeband verschlossen. Noch bevor er irgendetwas unternehmen konnte, sprang ein Dutzend stämmiger Gestalten aus dem Unterholz hervor.
Ein Mann nahm Ryan die Pistole ab. Ein anderer kam näher, schaltete eine Taschenlampe ein und strahlte damit seine eigene Hand an. Zwischen seinen Fingern baumelte eine der Sprengladungen, die Mercer in der Halle mit den Zuchtbecken gelegt hatte. Der Mann warf den Sprengsatz ins Wasser und leuchtete sich ins Gesicht, damit Ryan auch ja seine pockennarbige Fratze und das grimmige Grinsen sah.
Der Fremde zog ein Messer mit weißer Klinge und hielt es Ryan unters Kinn, so dass die Spitze die Haut ritzte und ein Tropfen Blut hervorquoll. Dann rief er etwas in einer fremden Sprache und steckte das Messer wieder ein.
Gemeinsam marschierten sie zurück in Richtung des Luftschiffhangars.
31
Austin nahm das Satellitenbild mit einem Vergrößerungsglas genau in Augenschein und schüttelte den Kopf. Dann schob er die Aufnahme samt Lupe Zavala zu, der ihm am Tisch gegenübersaß.
»Ich erkenne einen See mit einer Lichtung und ein paar Häusern«, sagte Joe, nachdem er das Foto eine Weile gemustert hatte. »Das könnte Nighthawks Dorf sein. Auf der anderen Seite sind ein Pier und einige Boote, aber kein Luftschiffhangar. Vielleicht ist das Gebäude getarnt.«
»Vielleicht liegen wir mit unserer Vermutung auch völlig falsch, alter Freund.«
»Es wäre nicht das erste Mal. Sieh’s doch mal so: Max hat gesagt, das ist der Ort, und ich würde Max mein Leben anvertrauen.«
»Eventuell musst du das sogar«, erwiderte Austin und sah auf die Uhr. »Nur noch wenige Stunden bis zu unserem Flug. Wir sollten lieber packen.«
»Ich habe noch nicht mal von der letzten Reise
ausgepackt
«, sagte Zavala. »Wir sehen uns am Flughafen.«
Kurt legte einen kurzen Zwischenstopp in seinem Bootshaus ein und war schon wieder auf dem Weg zur Tür, als ihm das blinkende Signallicht des Anrufbeantworters auffiel. Er wusste im ersten Moment nicht, ob er das Band überhaupt noch abhören sollte, war dann aber froh, sich dafür entschieden zu haben. Ben Nighthawk hatte angerufen und eine Telefonnummer hinterlassen.
Austin stellte die Reisetasche ab und wählte die Nummer.
»Mann, bin ich froh, von Ihnen zu hören«, sagte Nighthawk. »Ich habe neben dem Telefon gewartet und gehofft, dass Sie sich melden würden.«
»Ich habe ein paarmal versucht, Sie zu erreichen.«
»Verzeihen Sie, ich hab mich wie ein Idiot benommen.
Dieser Kerl hätte mich getötet, wenn Sie nicht dazwischengegangen wären. Ich bin durch die Gegend gelaufen, hab mit ein paar Kumpels herumgehangen und mir selbst Leid getan. Als ich in meine Wohnung zurückkam, war eine Nachricht von Therri auf Band. Sie sagt, die SOS würden eine eigene Aktion starten. Ich schätze, Ryan hat sie dazu überredet.«
»Diese Idioten. Die bringen sich noch um Kopf und Kragen.«
»Das denke ich auch. Und ich mache mir Sorgen um meine Familie. Wir müssen sie aufhalten.«
»Ich bin bereit, es zu versuchen, aber ich brauche Ihre Hilfe.«
»Die haben Sie.«
»Wie schnell können Sie aufbrechen?«
»Jederzeit.«
»Wie wär’s mit sofort? Ich hole Sie auf dem Weg zum Flughafen ab.«
»Alles klar.«
Zavala fuhr mit seinem 1961 er Corvette-Kabrio vom NUMA-Gebäude zu seinem Haus in Arlington, Virginia.
Während die obere Etage penibel aufgeräumt war, wie man es bei jemandem erwarten würde, der ständig mit minimalen technischen Toleranzwerten zu tun hatte, ähnelte das Erdgeschoss einer Mischung aus Kapitän Nemos Werkstatt und einer heruntergekommenen Tankstelle. Wohin man auch blickte, sah man Modelle von Unterwasserfahrzeugen, Werkzeuge zur Metallbearbeitung und stapelweise Diagramme mit öligen Fingerabdrücken darauf.
Einzige Ausnahme in dem Durcheinander war ein verschlossener Metallschrank, in dem Zavala seine
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