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Tödliche Beute

Tödliche Beute

Titel: Tödliche Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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zurück. Sie respektierte Ryan aus hundert verschiedenen Gründen, aber manchmal war er so sehr darauf versessen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, dass sein Urteilsvermögen darunter litt. Angst umwölkte Therris Blick. »Hoffentlich«, murmelte sie.

19
    Die riesigen Stämme ragten wie Säulen in einem uralten Tempel auf. Ihr verflochtenes Laubwerk ließ kaum Sonnenstrahlen durch und schuf auf dem Waldboden ein künstliches Zwielicht. Weit unterhalb der Wipfel quälte sich der alte verbeulte Pick-up schlingernd wie ein Boot im Sturm über knorrige Baumwurzeln und unnachgiebige Felsen hinweg.
    Joshua Green saß auf der Beifahrerseite und wurde auf der harten Bank kräftig durchgerüttelt. Mit einer Hand schirmte er seinen Kopf ab, der immer wieder gegen das Wagendach prallte. Green arbeitete bei den Sentinels of the Sea als Experte für Umweltrecht. Er war ein rotblonder, schmalgesichtiger Mann, dessen große runde Brille und die Hakennase ihn wie eine ausgemergelte Eule aussehen ließen. Bisher hatte er die Fahrt tapfer und klaglos ertragen, aber dann rumpelte der Wagen durch ein so tiefes Schlagloch, dass Joshs Kopf beinahe das Blech durchstoßen hätte.
    »Ich komme mir vor wie ein Maiskorn in der Popcornmaschine«, sagte er zu dem Fahrer. »Wie lange dauert diese Tortur denn noch?«
    »Noch ungefähr fünf Minuten, dann geht’s zu Fuß weiter«, entgegnete Ben Nighthawk. »Ich kann dir nicht verdenken, dass du langsam von dieser Holperfahrt genug hast. Und verzeih bitte die Rostlaube. Mein Cousin konnte auf die Schnelle nichts Besseres auftreiben.«
    Green nickte schicksalsergeben und widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem tiefen Forst, der sich weit in alle Richtungen erstreckte. Vor der Versetzung in die Zentrale der SOS hatte er einer der mobilen Einsatzgruppen angehört. Er war gerammt, beschossen und für kurze, aber unvergessliche Haftzeiten in Gefängnisse gesteckt worden, die eher an mittelalterliche Verliese erinnert hatten. In Krisensituationen bewahrte er stets einen erstaunlich kühlen Kopf, und sein professorenhaftes Aussehen täuschte über den harten Kern hinweg, aber die unnatürliche Dunkelheit dieser Umgebung setzte ihm stärker zu als alles, was er je auf See erlebt hatte.
    »Nicht die
Straße
ist das Problem, sondern dieser verdammte
Wald
«, sagte er und starrte hinaus auf die Bäume.
    »Verflucht unheimlich! Es ist mitten am Tag, die Sonne scheint, und hier unten bleibt es stockfinster. Wie aus einem Roman von Tolkien. Es würde mich nicht überraschen, wenn plötzlich ein Ork oder Oger auf uns zugestürmt käme. Hoppla, ich glaube, ich habe dahinten Shrek gesehen.«
    Nighthawk lachte. »Ich schätze, der Wald wirkt ein wenig gespenstisch, wenn man ihn nicht gewohnt ist.« Er blickte nach vorn durch die Windschutzscheibe. Sein rundes braunes Gesicht ließ keine Besorgnis erkennen, nur Ehrfurcht. »Wenn man hier aufwächst, ist es ganz anders.
    Der Wald und die Dunkelheit sind deine Freunde, denn sie bedeuten Schutz.« Er hielt kurz inne. »Meistens jedenfalls.«
    Einige Minuten später parkte er den Wagen. Sie stiegen aus und verharrten in der düsteren Naturkathedrale.
    Schwärme winziger Fliegen schwirrten um ihre Köpfe. Es roch überwältigend nach Kiefernholz, aber für Nighthawk war dies ein süßerer Duft als Parfüm. Mit seliger Miene sog er die Anblicke und Gerüche in sich auf. Dann nahmen Green und er ihre Rucksäcke, in denen Kameras, Filme, Werkzeuge, Wasser und Proviant verstaut waren.
    Ohne einen Blick auf den Kompass zu werfen, ging Nighthawk los. »Hier entlang«, sagte er so selbstsicher, als würde er einer Markierung folgen.
    Schweigend schritten sie über den jahrzehntealten dicken Teppich aus Kiefernnadeln und schlängelten sich zwischen den Stämmen hindurch. Die Luft war heiß und drückend, und schon nach kurzer Zeit hatten sie ihre Hemden durchgeschwitzt. Es wuchsen hier zwar vereinzelte Farne und Moose, aber weder Büsche noch Sträucher, und so kamen sie zügig voran. Während er Nighthawk folgte, ließ Green noch einmal Revue passieren, was ihn aus seinem bequemen klimatisierten Büro in diesen dunklen Urwald verschlagen hatte.
    Neben seiner Tätigkeit für die SOS unterrichtete Green halbtags an der Georgetown University in Washington.
    Dort hatte er Ben Nighthawk kennen gelernt, der als Stipendiat an einem seiner Seminare teilnahm. Der junge Indianer wollte die Ausbildung nutzen, um die North Woods zu retten, denen eine zunehmende Erschließung

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